Gerade Ende Oktober ist es wieder Zeit, sich intensiv um das Grab zu kümmern. Ich weiß, der Eingangssatz klingt wie aus der Werbebroschüre für Friedhofsgärtner. Ein ehrbarer Beruf, den immer mehr Menschen in Anspruch nehmen, weil sie sich selbst nicht um die Ruhestätte ihrer Angehörigen kümmern können. Manche liegen einfach zu weit entfernt, andere haben gesundheitliche Probleme und sind deswegen kaum noch in der Lage, die Pflanzen zu pflegen.
In meinem Dorf ist das genau umgekehrt. Hier pflegen die Menschen ihre Gräber sehr intensiv und dabei ganz nebenbei auch ihre Kontakte. Das ist ja auch gut so. Doch was mir zunehmend mißfällt, ist der soziale Druck, der von denen ausgeübt wird, die alle vier Wochen die Bepflanzung erneuern und der Jahreszeit anpassen. Einmal ist das doch eine Verschwendung, weil die meisten Pflanzen eine längere Lebensdauer haben und zum anderen sehen die Nachbargräber dann immer ein bisschen vernachlässigt aus – egal mit wieviel Hingabe sie gegossen und gejätet werden.
Am liebsten würde ich mir drei goldene Ziffern zum in die Erde stecken zulegen und dann alle 14 Tage die besten drei Gräber küren. Das kostet zwar ein bisschen Zeit, aber dann wäre die Leistung der Angehörigen, die sich so viel Mühe geben positiv aufzufallen, wenigstens gewürdigt. So bleibt nur eine Mischung aus Bewunderung für die geschmackvolle Gestaltung und leichter Verärgerung, weil man sich fragt, ob man Spätsommerblumen noch kurz vor Allerheiligen auf dem Grab lassen darf und welche Konsequenzen es hätte, wenn man dieses Jahr auf das Gesteck zum Totengedenken verzichtet. Geht das nur mir so, dass ich da ein schlechtes Gewissen bekomme?
3 Antworten
zum glück gibt es jetzt die möglichkeit der baum bestattung, denn blumen schenkt man dem lebenden
im leben kaum kontakt, am grab die superschau (wegen der leute), wie hätte der tote sich über die aufmerksamkeit im leben gefreut
Wie gut, daß man so etwas nicht mit machen muß. Bei uns wird sehr viel Halb-Anonym beerdigt. Das finde ich wunderbar. Die Namen stehen auf einem halbversetzten Stein. Blumen sind immer da, denn irgend jemand legt sie für die Toten dort ab. Auch Friedwald oder Seebestattung wird sehr oft genommen. Das ist doch eine gute Sache.
„In meinem Dorf ist das genau umgekehrt. Hier pflegen die Menschen ihre Gräber sehr intensiv und dabei ganz nebenbei auch ihre Kontakte. Das ist ja auch gut so. Doch was mir zunehmend mißfällt, ist der soziale Druck, der von denen ausgeübt wird, die alle vier Wochen die Bepflanzung erneuern und der Jahreszeit anpassen.“
Der soziale Druck wird nicht nur von den Leuten ausgeuebt welche ihre Graeber staendig neu bepflanzen, sondern haeufig auch von den eigenen Verwandten. Das war mir als Kind immer schon ein Aergernis und meinem Vater und spaeter auch meinem Bruder umso mehr. In meiner Heimat im Saarland bestand die Regelung, dass diejenige Familie welche das Elternhaus erbt, fuer die Grabpflege zustaendig war. Es waren aber nicht nur die Graeber der Eltern, sondern auch alle Tanten, Onkels und sonstige Verwandten, bei denen sich die eigenen Familienangehoerigen, aus welchem Grund auch immer, nicht um die Grabpflege kuemmerten. Vor Allerheiligen war es besonders schlimm, wenn die Nachbargraeber schon fuer den Winter bereitet waren. Da jammerten die Geschwister meiner Mutter ueber die noch nicht fuer den Winter vorbereiteten Graeber. Mein Vater ebenso spaeter mein Bruder waren in ihren Berufen taetig, aber nicht als Friedhofsgaertner. Damals gab es auch noch keine Urnengraeber auf den doerflichen Friedhoefen wie heute. Ich habe meinen Kindern versprochen, dass sie sich um mein Grab keine Gedanken machen muessen, zumal ich in Thailand lebe und auch hier verbrannt werden moechte, so wie es hier ueblich ist.
Mit freundlichen Gruessen aus Khon Kaen, Thailand
Dr. Charly Biehl.