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Ordnungsliebe im Alter

Hello All,

ganz junge und ganz alte Menschen ähneln sich in mancherlei Hinsicht: Eigensinn, Naivität, Zeitgefühl oder Bedürfnis nach Nähe. Jedoch beim Konzept von Ordnung und Unordnung liegen Jung und Alt erfahrungsgemäß weit auseinander. Nicht nur im Handeln, sondern auch in der Bewertung seitens der Betrachter. Stiften die Kleinen Chaos, interpretieren das die zuständigen Erwachsenen als Beleg von gesunder Vitalität und vielversprechender Kreativität. Zumindest wenn es sich um den eigenen Nachwuchs handelt.

Ähnlich laszives oder gestalterisches Verhalten von Senioren gilt hingegen als demenzverdächtig oder verwahrlost. Es sei denn, man hatte sich beizeiten für das Alter den Status des zerstreuten Genies erarbeitet; vorzugsweise in Kunst oder Wissenschaft.

Wobei sich die Skala von akribischer Ordnung über Normal bis zur undurchdringlichen Unordnung weit aufspreizt und kulturspezifische Auslegung erfährt. Was in Japan, Korea und China als selbstverständlich erwartet wird, wirkt aus mitteleuropäische Sicht zuweilen pedantisch. Umgekehrt erkennen Ostasiaten in hiesigen lockeren Gepflogenheiten bestürzende  Anzeichen kultureller Dekadenz und sozialer Desintegration.

Vor einigen Jahren kam ich in einem Stadtpark in Tokyo an einem bunt gemischten, aber akkurat angelegten Zeltplatz vorbei, der von einem strengem Boyscout-Leiter organisiert erschien. Doch anstatt uniformierter Jugendlicher bewohnten ihn Alte in abgenutzter Kleidung. Obdachlose; arm, betagt, diszipliniert.

Öfters höre ich von hiesigen Senioren, dass sie ihr Leben zum Ende hin ordnen wollen. Physisch entrümpeln, soweit es die Kräfte zulassen, Erinnerungstücke sortieren, Memoiren schreiben. Im Rückblick versuchen sie, eine kohärente Struktur aus ihrer bisherigen Biografie herauslesen. Im Sinne von „ich war eigentlich schon immer ein(e) ….“. So, als wäre ein Lebenslauf ohne Widersprüche und Umbrüche weniger lebenswert oder zumindest erzählungswerter für die Nachkommen.

Dabei können doch gerade Enkel und Kinder offensichtlich mit Unordnung, mit organisch mäandernden bis zufällig zusammengewürfelten Ereignissen bestens umgehen. Unordnung bringt Spaß; der spielerische Umgang mit dislozierten Elementen schafft neue Chancen. Pippi Langstrumpf, Krümelmonster oder andere Desorganisierende sind unter Kindern sehr populär – übrigens von Erwachsenen ausgedacht.

Woher also der späte Hang zu Ordnung?  Stiftet erst Organisation die Gnade, als gereift zu gelten? Klammern sich Alte an Strukturen, weil sie sich in der Vielfalt schlechter orientieren können oder Dinge ohne Zusammenhang leichter vergessen? Tendieren Alte mental nach Ostasien? Siehe Qi Gong, buddhistische Meditation, asiatische Heilmethoden oder Hörgeräte made in China.

Einen nicht übertrieben ordentlichen  Jahreswechsel wünscht Euch

Euer Global Oldie

Eine Antwort

  1. „Unordnung bringt Spaß“ – das sehe ich genau so. Und dabei spielt das Alter keine Rolle.

    Herzliche Grüße und ebenfalls einen guten Start in das nächste Jahr,

    Eddy (von @trustedblogs)

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