Hello All,
macht Alter geizig? Im Gegenteil. Gerade zu verschwenderisch spendiert es uns Haut. So üppig, dass der Überschuss nur noch zusammengefaltet auf uns Platz findet. Etwas unordentlich abgelegt, aber immer leicht zu finden; siehe Augenwinkel, Stirn, Hals, Unterbauch, Oberschenkel. Vorzugsweise etwas trocken, was die Lagerfähigkeit begünstigt. Ähnlich wie Fingerabdrücke modellieren Gesichtsfalten ein weiteres unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal. Angereichert durch dekorative Pigmentflecken. Vielleicht zur Tarnung in freier Natur, um nicht hell schimmernd einem Säbelzahntiger aufzufallen.
Wobei die Natur, unbeeindruckt von political correctness, mit der Haut ethnische Spielchen inszeniert. Ostasiens Alte behalten sichtbar länger eine straffe Haut als Senioren mit kaukasischem Hintergrund. Anstelle von Fältchen ziehen auf der asiatischen Haut zuerst Pigmentflecken auf, erst später kräuselt sie sich faltig. People of no-color. „Weiße“ hingegen legen sich zuerst Krähenfüße und Runzeln zu, bevor Hautflecken das Erscheinungsbild ergänzen. Was bei unseren multikulturellen Treffen reifer Generationen zuverlässig zum heiteren Altersraten führt. Dunkelhäutige Senioren verbergen zudem ihre Pigmentflecken so erfolgreich, dass Ungeübte völlig im Dunkeln tappen, wie alt der Gegenüber ist.
Haut begrenzt und hält zusammen, was zusammen gehört. Mein gesamter Stoffwechsel, Gewicht und Gefühle drängeln unter meiner Haut. Nur innerhalb meiner Haut bin ich; jenseits meiner Haut beginnt der Rest der Welt. Für manche Umweltstoffe, wie Licht und Sauerstoff lässt sie großzügig das Prinzip Schengen walten; bei anderen Umweltfaktoren blockt die Haut mehr oder minder erfolgreich ab. Die Haut als größtes Organ ist schwer beschäftigt, rund um die Uhr; sie verdient eine gewisse Pflege – und Respekt. Haben wir noch immer keine „Haut-Respekt-Leistung“ seitens unserer zunehmend respektablen Sozial- oder Gesundheitspolitik?
Nicht nur Kalenderblätter lassen die Haut altern, sondern auch Rauch; von innen und von außen. Das Räuchern zur Konservierung bekommt Schinken besser als Menschen. Angeblich kann man die Hautalterung graduell durch Ernährung beeinflussen; zur rentablen Freude der Antioxidantier-Anbieter, die mit Schönheit von innen locken. Toleranz tut’s auch und ist preiswerter.
Herrn Thomas Fitzpatrick haben wir seit 1973 die gängigste Unterscheidung von 6 Hauttypen zu verdanken. Mit I, der blass-weißen Haut beginnend, über IV, der hellbraunen bis zur VI, der dunkelbraunen bis schwarzen Haut. Je dunkler, desto besser ist die Haut vor UV-Licht geschützt. Hauttyp VI kommt mit einem angeborenen Lichtschutzfaktor 13 zur Welt, ein deutlicher Vorteil gegenüber den I und II- Hauttypen mit Sonnenbrandgarantie. Fitzpatrick’s Klassifikation kommt ohne Alterstypisierung aus. Bei mir kommt hinzu, dass ich auf der rechten Körperseite mehr Pigmentverfärbungen trage als links. Kreuzten bei meinen Vorfahren die Fressfeinde vorzugsweise von rechts auf?
Haut ist ein archaisches und geschwätziges Kommunikationsmedium, das nicht die Klappe halten kann. Gänsehaut, Zittern, Schweißperlen, Bleiche, Scham- und Zornesröte verraten intuitiv, dass dem Menschen etwas unter die Haut gefahren ist; fast unmissverständlich, ganz ohne Fremdsprachenkenntnisse.
Haut dient als Leinwand auch zur willentlichen Kommunikation. Das verlangt ab dieser Stufe mehr Kulturwissen ab als reine Intuition: Tattoos, dekorative und ungewollte Narben, Schwielen und Verunreinigung lassen auf Zugehörigkeiten und Lebenssituation schließen. Schminke, traditionelle Bemalungen und rituelle Hautfärbungen informieren über Herkunft, Haltung und aktuelle Absichten.
Man kann sich in der eigenen Haut mal mehr oder weniger wohlfühlen, sich auf die faule Haut legen oder sie verzweifelt zu Markte tragen. Nur aus der eigenen Haut zu fahren ist aus eigenen Stücken unmöglich. Wir bleiben unserer Haut ein Leben lang treu; horten redlich ihren Überschuss im Alter; ein hautnahes Erlebnis.
Euer Global Oldie