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Für Farben braucht es nur ein bisschen Mut

Zu Utes Lieblingsfarben gehört ein frisches Neon-Grün. Aber auch Orange und Gelb wie hier kombiniert sie gerne.

Wir hätten gern das Aschgrau!«, erklärt das in kompletter Farb- und Freudlosigkeit versunkene Ehepaar Melzer ihrer Psychotherapeutin Tietze. Deren Rat zum frischen Gelb oder Apfelgrün für den Neubezug der Polstergarnitur wurde gerade von Innenausstatter Winkelmann mit 28 textilen Grautönen ausgebremst. Was der unvergleichliche Loriot 1988 in seinem Film »Ödipussi« aufspießte, kann man glücklicherweise beim Kleidungsstil älterer Menschen immer seltener beobachten: das lange bei Seniorinnen und Senioren obligatorische »Rentner-Beige« von der Sandale bis zum Käppi. Vor allem Frauen lassen sich die Freude an Farben und Mustern weder durch Falten noch durch Pölsterchen verderben. Was geht denn so ab, farblich, bei uns Älteren? 

»In meinem Kleiderschrank habe ich kein einziges beiges Teil«, sagt Eva, und man glaubt es der 75-Jährigen sofort. Mit ihrem dunklen Haarschopf und den braunen Augen stehen ihr fröhliches Pink, kräftiges Türkis und zitroniges Gelb ausgezeichnet. »Ich habe keinen vorsätzlichen Kleidungsstil, aber ich habe schon immer kräftigere Farben gekauft. Sie lassen mich frischer, aufgeschlossener, lebensbejahender erscheinen.« Statt zu Schwarz greift die Witwe lieber zum weniger harten Dunkelblau, statt zum gedeckten Beige lieber zu strahlendem Weiß. Als »sportlich-elegant« beschreibt sie ihren Stil, dem sie unabhängig von gerade angesagten Outfits treu bleibt. Beim Einkauf achtet sie vor allem auf die Qualität und die Haptik der Materialien. »Der Stoff muss schon beim Anfassen ein angenehmes Tragegefühl vermitteln.« Für Eva ist Mode auch ein Genuss: »Du erfreust dich an dem Kleidungstück – und wenn dann noch jemand sagt: ›Das sieht aber gut aus!‹, dann ist der Tag schon mal fröhlicher!«

Den Winter dominieren gedeckte Farben

Eva fühlt sich wohl in Pink, das ihr sehr gut steht.

Bedauerlich findet sie, dass es die warmen Kleidungstücke für die Wintermonate fast nur in dunklen Tönen gibt. Als ob die Jahreszeit nicht schon düster genug wäre. Wenn es ihr mal gesundheitlich nicht so gut geht, hüllt sie sich allerdings oft intuitiv in graue Kleidung, wie ihr jetzt im Gespräch auffällt. »Vielleicht brauche ich dann Ruhe. Aber wenn ich wieder zur Wimperntusche greife und Lust auf Farbe bekomme, dann habe ich auch wieder Spaß am Leben!« 

»Gerade für Ältere ist das Thema Farbe hochinteressant«, findet Karin Sievers. Die ausgebildete Farb- und Typstylistin betreibt in Roth mit dem Label »Stil in Nürnberg« eine Farb- und Stilberatung und wundert sich immer wieder, dass gerade Beige so beliebt ist: »Diese Farbe steht nur sehr wenigen gut.« Durch das Anhalten von rund 130 Analysetüchern findet sie gemeinsam mit ihren Kundinnen heraus, welche Farbtöne am besten zum jeweiligen Typ passen. Das ist sehr individuell – und unabhängig von aktuellen Modefarben, die überall in Geschäften und Zeitschriften zu sehen sind. Jeder Mensch habe seinen eigenen Buntwert, der aussage, was er an Farben verträgt. Um eine Verallgemeinerung gebeten, würde sie zu grauen oder weißen Haaren frische, kühle Farben empfehlen, wie zartes Rosé, knalliges Pink oder ein intensives Magenta. »Welcher dieser Rosatöne es dann sein sollte, hängt wieder ganz von der individuellen Farbpersönlichkeit ab. Aber auch die Helligkeit ist ein Thema, damit die Farben stimmig statt grell wirken.« 

Mancher bleibt an seinem Stil hängen

Sprüche wie »Wer in der Jugend schön war, trägt im Alter Lila« oder »Grün und Blau trägt dem Kasperl seine Frau« kennt auch Karin Sievers aus ihrer Kindheit, aber »beißende« Farbkombinationen gäbe es heute nicht mehr. »Kaltes Violett kombiniert mit warmem Weinrot – manchen Frauen steht gerade das gut.« Die Frauen, die zu ihr kommen, spüren oft den Wunsch nach Veränderung, trauen sich aber nicht. »In meinem Alter kann ich das doch nicht mehr tragen«, hört sie oft und stellt fest: »Das startet mit spätestens 40!« Manchmal bleibe auch jemand in einem Kleidungsstil hängen, der einmal angemessen war, hat Sievers beobachtet. »Es gibt Witwen, die kommen aus dem Schwarz nicht mehr raus.« Die Stylistin nimmt diese Kundinnen an die Hand und gibt ihnen die Legitimation, dass Farbe doch geht. Glaubenssätze von früher müsse man überwinden, meint sie, und gibt allen Frauen einen Rat mit in die Umkleidekabine: »Wenn du denkst, das ist jetzt nichts für mich – erst recht anprobieren!«

Und wie sieht es bei den Herren aus? »Wir zwängen keinen Mann in Grau oder Beige«, betont Matthias Bussian, der es als Teamleiter Einkauf Herrenbekleidung bei Wöhrl überwiegend mit männlicher Kundschaft im Alter von 55+ zu tun hat. Schon allein um das Sortiment farblich aufzufrischen und auf den Tischen einen Blickfang für die Kunden zu präsentieren, gibt es die Poloshirts in allen Farben, und auch die Cordhosen zeigen sich in unterschiedlichen Tönen. »Wir tun unser Bestes und bieten immer Farbe an. Was der Kunde dann kauft, ist vom Alter unabhängig. Es gibt ein paar Mutige, und es gibt weniger Mutige.« Zu Farbe und Mustern greifen Männer nach seiner Erfahrung lieber bei der Bekleidung des Oberkörpers. »Ein Hawaiihemd würde ich immer mit einer beigen oder blauen Hose kombinieren. Mit der Hose beruhigen Sie das ganze Outfit«, erklärt Bussian. Unabhängig von der Farbe des Beinkleids erwiesen sich die in der vergangenen Saison angebotenen knallgelben Winterjacken nicht als Renner: »Die Männer greifen lieber zu Schwarz.« Wobei nach seiner Erfahrung die wenigsten Herren selbstbestimmt einkaufen. »Was gekauft wird, entscheiden die Ehefrauen!«

Spontane Komplimente

Ute sagt, dass Farbe aus einem Menschen etwas macht, sie strahlt Lebensfreude aus.

Ehefrau Ute, 60 Jahre jung und gerade zum ersten Mal Oma geworden, wusste schon immer, was sie wollte. »Meine Mutter war Verkäuferin in einem bekannten Modehaus – wenn wir zusammen einkaufen waren, hatten es die Verkäuferinnen nicht leicht.« Klein und zierlich von Gestalt ließ sich Ute keine schlechtsitzenden Sachen aufschwatzen. Trug sie früher viel klassisches Dunkelblau und monochrome Outfits, ist das seit einer Farbberatung vor einem Jahr ganz anders. »Dabei kam heraus, dass mir kräftige und vor allem knallbunte Farben am besten stehen.« Seither scannt sie in Bekleidungsgeschäften die Farben – die Marke ist ihr egal. Gelb, Orange und Grün, alles in Neon und gern miteinander kombiniert, mag sie am liebsten. »Meine Ausstrahlung ist in diesen Farben ganz anders, als wenn ich etwas in Grau trage. Farbe macht aus einem Menschen etwas, sie strahlt Lebensfreude aus. Außerdem gibt es Selbstsicherheit, wenn man seinen Stil gefunden hat.« 

Nicht nur ihr Spiegelbild bestätigt ihre Kleiderwahl, auch die Umwelt reagiert positiv. Immer wieder hört sie von Frauen: »Ich muss Sie jetzt einfach ansprechen – wo kaufen Sie ein?« Dass nicht jede Dame in Leuchtfarben gut aussieht, ist ihr klar: »Das Temperament muss dazu passen!«

Text: Alexandra Foghammar
Fotos: Claus Felix

Was ein Experte zum Thema Farbpsychologie zu sagen hat, lesen Sie hier.

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