In Herbst und Winter haben sie wieder Konjunktur: Seit Menschengedenken sind Hüte, Kappen und Mützen zum Schutz vor der Witterung wichtig. Über die Jahrhunderte hatten sie auch andere Funktionen: Sie waren Rangabzeichen von Adel und Klerus, zeichneten Stände aus und machten die Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung deutlich. An Kopfbedeckungen ließ sich Familienstand und die Position in Hierarchien ablesen, sie schufen Distanz oder stärkten Zusammengehörigkeit – und wurden quasi zu einem nonverbalen Kommunikationsmittel.
Zugleich mauserten sich Hüte und Co. zum modischen Accessoire. »Bis Anfang des 20. Jahrhunderts galten Männer wie Frauen nicht als komplett angezogen, wenn sie ohne Hut außer Haus gingen«, sagt Daniela Brückner-Kaluza, die in vierter Generation das traditionsreiche Hutgeschäft Globus an der Dr.-Kurt-Schumacher-Straße in Nürnberg leitet. Der Einbruch kam in den 1960er-Jahren: Plötzlich ging man »oben ohne«: Männliche Pilzköpfe und aufwändig ondulierte Frauenfrisuren wollten pur getragen werden, die Anzahl der Hutträger ging stark zurück.
Ältere frieren schneller
Doch vor allem Menschen jenseits der 60 wissen Kopfbedeckungen heute noch zu schätzen. »Sie frieren einfach leichter. Viele Männer haben im fortgeschrittenen Alter auch nicht mehr so viele Haare«, sagt Daniela Brückner-Kaluza. Beliebt seien nach wie vor Filzhüte – bei den Herren wie bei den Damen. Sie werden in Handarbeit aus Wolle oder aus Hasenhaar hergestellt. »Aber keine Sorge, die Tiere müssen dafür nicht ihr Leben lassen, sie werden nur geschoren«, sagt die gelernte Textilbetriebswirtin, die vor dem Einstieg ins elterliche Geschäft bei dem berühmten englischen Kaufhaus Harrods ein Praktikum absolviert hatte. Besonders edel sind Modelle des italienischen, seit über 150 Jahren bestehenden Unternehmens Borsalino. Aber es gibt mit Mayser auch eine vergleichbar hochwertige deutsche Marke.
Die Klassiker schlechthin sind der Fedora, ein eleganter Hut mit breiter, leicht nach oben gewölbter Krempe, und der Traveller. Letzteren kennen Kino-Fans spätestens seit den Indiana-Jones-Filmen, er hat einen nach unten geneigten Rand und wirkt dadurch sportlicher. Beide Modelle trägt auch Daniela Brückner-Kaluzas Vater Leo Brückner gerne. Er ist zwar schon 82, unterstützt die Tochter aber noch in geschäftlichen Dingen. So sind er und seine Frau Inge, »die Seele des Geschäftes«, jedes Mal mit von der Partie, wenn es darum geht, die Kollektionen für die nächste Saison zu sichten und zu entscheiden, was ins Sortiment genommen wird. Tochter und Eltern sind sich einig: »Das hat sich sehr gut bewährt, weil wir unterschiedliche Akzente setzen – so wird das Angebot vielfältig.«
Hüte sind sein Leben
»Mein Großvater Max hat das Geschäft 1906 gegründet«, erzählt Leo Brückner, er selbst ist quasi im Huthaus mit eigener Werkstatt groß geworden. »Hüte sind mein Leben.« Schon als Junge habe er sie, wenn sie in der Werkstatt frisch aufgebügelt worden waren, in den Laden gebracht, um sich ein paar Pfennige zu verdienen, erzählt er. Damals habe man Hüte zum feinen Ausgehmantel getragen, heute auch zum Anorak. »Das ist modern und sieht chic aus«, findet der Senior. Dass die Leute heute improvisieren, gefällt ihm. »Die Mode verändert sich, aber stilvolle Accessoires sind zeitlos.«
Kopfbedeckungen wärmen und schmücken nicht nur, sie halten auch Nässe ab. »Ich selbst habe fast nie einen Schirm dabei. Wenn es regnet oder schneit, setze ich einen Hut mit Krempe auf. Das reicht meist«, erzählt Daniela Brückner-Kaluza. Immer wichtiger wird laut der Inhaberin auch das Thema Sonnenschutz, weil die UV-Strahlung viel stärker ist als noch vor einigen Jahrzehnten. »Ob Stroh oder Filz, viele Hersteller garantieren einen Schutzfaktor bis 80 – zertifiziert von einem renommierten Prüfinstitut«, erläutert die Globus-Chefin.
Glockenform oder Baskenmütze
Wen welche Kopfbedeckung besonders gut kleidet, hängt von Stil, Geschmack und natürlich von der Gesichtsform ab, ob sie eher schmal oder rundlich ist. Da hilft nur eines: »Verschiedene Modelle probieren und sich beraten lassen. Dann findet jedes Köpfle sein Deckele«, sagt Brückner-Kaluza. Sie selbst mag am liebsten elegante Glockenhüte à la Audrey Hepburn, während ihre Angestellte Claudia Surma ein Faible für Baskenmützen hat. »Die habe ich in ganz vielen Farben und unterschiedlichen Materialien«, erzählt sie und deutet auf die Auslagen. »An Auswahl mangelt es mir nicht.« Neben Dutzenden von Hüten gibt es Mützen und Kappen mit und ohne Ohrenklappen sowie Caps in allen Variationen. Heuer sind Beerentöne besonders im Trend. Wenn Kunden sich beraten lassen, wird als erstes der Kopfumfang gemessen – einen Finger breit über dem Ohr. Aus den angezeigten Zentimetern ergibt sich die Größe. Bei Frauen liegt sie meist zwischen 56 und 57, bei Männern zwischen 55 und 63.
Ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, dass sie spontan in den Laden kommen können, erhalten einen besonderen Service: Die Globus-Chefin bringt ihnen auf Wunsch eine Auswahl an Hüten, Caps oder Mützen nach Hause. »Dann können sie in den eigenen vier Wänden wählen, was ihnen am besten gefällt.« In der hauseigenen Werkstatt können Hüte außerdem enger und weiter gemacht, repariert und aufgebügelt werden.
Auch die Jugend will „behütet“ sein
Durch soziale Medien wie Instagram kommen inzwischen auch junge Menschen wieder auf den Geschmack. War der sogenannte Bucket-Hat früher nur bei Anglern und Campern beliebt, hat er längst die Modeszene erobert. Es gibt ihn jetzt nicht nur in Tarnfarben, sondern mit vielen frischen Tönen, Mustern und Materialien – sogar mit kuscheligem Kunstfell. Selbst der Bowler-Hat aus England hat seine Fans. Oft sind es laut Brückner-Kaluza überraschenderweise junge Frauen, die das Modell kaufen. Sie tragen die Melone, wie das britische Original auch genannt wird, leicht nach hinten geschoben, zu flippiger Kleidung und derben, schwarzen Stiefeln.
Eine Lanze für Hut und Co. bricht auch Adelheid Rasche, Leiterin der Sammlungen Textilien, Kleidung und Schmuck beim Germanischen Nationalmuseum. »Tuch, Schleier, Kappe, Haube, Hut, Turban und vieles mehr begleiten die Menschen aller Weltkulturen seit vielen Jahrhunderten und in jedem Alter.« Selbst wenn die Kopfbedeckungen heute im Alltag nicht mehr eine so fundamentale Rolle spielten wie noch vor 100 Jahren, wo es undenkbar gewesen wäre, das Haus ohne selbige zu verlassen, seien sie immer noch viel gesehene Accessoires, die vor Kälte oder Sonne schützen. »Wir setzen mit der Kopfbedeckung immer ein Zeichen: Sie kann sportlich wirken, aus luxuriösem Material sein, einen Farbakzent zur Kleidung setzen oder bestimmte Assoziationen hervorrufen«, so die Kunsthistorikerin.
Damit das Hutmacher-Handwerk den Nachwuchs nicht verliert, würde sie sich wünschen, dass jeder Erwachsene zumindest einen Hut in seiner Garderobe hätte. »So könnten wir die Kulturgeschichte der Kopfbedeckungen variantenreich fortschreiben. Also: Mehr Mut zum Hut!«
Text: Alexandra Voigt
Fotos: Michael Matejka