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Ein Hauch von Fernost in Erlangen

Christian Heidrich mit Fahrgast in der Rikscha am Erlanger Marktplatz.

An einem herbstlichen Samstag steht die Rikscha mitten in der Erlanger Innenstadt. Die ehrenamtlichen Helfer möchten das ungewöhnliche Hilfsprojekt »Streetwork for Seniors – Duett Rikscha + Fahrer« einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen. Für Marga Rödl kommt die Präsentation der kostenlosen Mitfahr-Gelegenheit für Ältere gerade recht: Die fast 90-Jährige war an diesem nasskalten Septembermorgen im Zentrum einkaufen. Sie wohnt nicht weit entfernt und schafft es mit ihrem Rollator noch gut in Richtung Marktplatz. Doch der Weg zurück in ihre Wohnung, mit vollen Tüten in der Hand, fällt ihr schwer, auch mit dem Bus ist sie dann nicht so gern unterwegs: »Wenn ich mit dem Rollator rückwärts aussteigen muss, ist das schon schwierig«, sagt sie.

Interessiert betrachtet die Erlangerin deshalb den Infostand mit der Rikscha und nimmt das Angebot der ehrenamtlichen Fahrer, sie nach Hause zu bringen, dankend an. Angst, mit dem ungewöhnlichen Vehikel zu fahren, hat sie keine. Ein bisschen holpert es, aber das mache ihr nichts aus, sagt sie. Im Gegenteil. Sie fände es »wunderbar«, wenn sie regelmäßig damit fahren könnte. Doch das ist nicht so einfach möglich. Denn das Angebot ist bislang auf Büchenbach im Erlanger Westen beschränkt. Das ist schade für Marga Rödel. Sie ist noch gerne eigenständig auf Achse, »aber mit dem Heimkommen ist es halt schwierig«.

Zu Ärzten und zum Einkaufen

Das hört Christian Heidrich oft, der Marga Rödl im Anhänger durch die Straßen fährt. Er engagiert sich seit diesem Jahr als ehrenamtlicher Fahrer bei dem Rikscha-Projekt. Zum einen gefällt dem 69-Jährigen das Radfahren, zum anderen will er als pensionierter Lehrer einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Die Fahrgäste, überwiegend ältere, aber auch geh- und sehbehinderte Menschen, lassen sich zu Ärzten, Seniorentreffen oder zum Einkaufen fahren und wieder abholen, erzählt er. »Man kommt dabei intensiv mit Menschen in Kontakt«, sagt Heidrich.

Diese Erfahrung macht auch Andreas Hannweg. Der frühere Bautechniker bietet sich seit zwei Jahren ebenfalls als Fahrer bei dem Rikscha-Angebot an, das sich aus einem Stadtteilprojekt zu einer hauptsächlich ehrenamtlich getragenen Initiative entwickelt hat. »Wenn wir an unserer Station in Büchenbach stehen, kommen manchmal Menschen, die nur reden möchten«, berichtet der 68-Jährige. Sie beginnen mit Fragen zur Rikscha und sprechen dann über ihr Leben und ihre jetzige Situation. Es gebe auch ältere Leute, die aus einem Supermarkt oder Geschäft herauskommen, und denen die Fahrer anmerken, dass sie sich mit den Einkäufen schwer tun. »Dann sprechen wir die Personen an, und oft sind sie sehr dankbar, wenn wir sie heimfahren«, sagt Hannweg. Anfangs sei die Hemmschwelle oft zu groß, die Fahrer an ihrem Standplatz selbst anzusprechen oder eine Rikscha im Vorfeld telefonisch zu reservieren. »Sobald sie mit uns in Kontakt waren, lassen sie sich gerne helfen«, sagt er.

Niederschwelliges Angebot geschaffen

Genau das war das Ziel, als Hauptinitiatorin Uta Barusel vom Erlanger Amt für Sport und Gesundheitsförderung Mitte 2021 das stadtteilbezogene Projekt »Gesund älter werden in Büchenbach-Nord« gestartet hatte. »Wir wollten ein niedrigschwelliges Hilfsangebot für Ältere und Hochbetagte ins Leben rufen, um sie mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu lassen und sie auch aus ihrer Einsamkeit zu holen«, berichtet die Diplompädagogin und Körpertherapeutin. Gefragt nach ihren Wünschen, setzten die befragten Seniorinnen und Senioren ein kostenloses Rikscha-Mitfahrangebot auf Platz eins; daraus ist das vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung geförderte und von der Stadt initiierte Rikscha-Angebot entstanden.

Inzwischen steht die Rikscha-Anlaufstelle, die sich insbesondere über Spendengelder und städtische Zuschüsse finanziert, mit dem Verein »Initiative Erlangen« fast ausschließlich auf ehrenamtlichen Füßen. Auch die städtische Mitarbeiterin Uta Barusel leistet ihre organisatorische Unterstützung in ihrer Freizeit. Das hat sie auch bei der Bewerbung für den Präventionspreis des Bayerischen Gesundheitsministeriums getan. Und: Es hat sich gelohnt. Das Erlanger Rikscha-Projekt erhielt im Juli 2024 die Auszeichnung in der Kategorie »Prävention im Alter«.

Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre zeigten, dass der Bedarf besteht. »Unser Wunsch wäre es, das Projekt auf andere Stadtteile auszudehnen, damit auch dort ältere Menschen mobiler bleiben und mehr am sozialen Leben teilnehmen können«, sagt sie.

Text: Sahron Chaffin
Foto: Mile Cindric

Information

Wer sich bei dem Projekt etwa als Fahrer engagieren möchte oder Fragen dazu hat, wendet sich bitte telefonisch an die Initiative unter (09131) 8273330 (Mo.bis Fr.), es ist ein Anrufbeantworter geschaltet.

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