Senioren beim Krafttraining? Das waren früher ein paar braungebrannte Männer mit vorgewölbten Bizeps-Muskeln à la Arnold Schwarzenegger. Wer heute ein Fitness-Studio betritt, findet dort nicht nur junge Kraftprotze, sondern immer mehr Rentnerinnen und Rentner. Nach Angaben der Betreiber sind in Deutschland etwa eine Million Menschen über 60 Jahren Mitglied in Sporthallen, das sind knapp zehn Prozent aller registrierten Nutzer. Das Magazin sechs+sechzig sprach mit Iris Leibrecht, Fitness-Trainerin und Geschäftsführerin der Beyers Aktiv-Park GmbH in Zirndorf, über Gesundheit, Muskelaufbau und Bodybuilding.
sechs+sechzig: Woher kommt der große Andrang älterer Menschen?
Iris Leibrecht: Nicht nur die frisch in Rente gegangenen Baby-Boomer kommen jetzt, sondern auch 80-Jährige und noch ältere Menschen, manche sogar im Rollstuhl und mit Rollator. Man soll nicht glauben, dass es im hohen Alter für Sport zu spät ist. Gesundheits-Experten haben inzwischen erkannt, dass für Seniorinnen und Senioren nicht nur Spaziergehen, Basteln und Kaffeekränzchen auf dem Programm stehen sollen, sondern auch regelmäßiges körperliches Training. Es ist wichtig, Herz und Kreislauf zu kräftigen.
Doch warum wurde auf die Stärkung der Muskeln bisher weniger Wert gelegt?
Eigenartigerweise wird das erst seit 15 Jahren richtig erforscht. Nun wissen wir, dass unsere Muskulatur viel mehr kann, als nur Kraft und Leistungsfähigkeit für unsere Alltagsaktivitäten und den Sport zu geben. Muskeln fungieren als das größte Stoffwechselorgan unsere Körpers. Wenn sie viele Botenstoffe ausschütten, können sie sogar unsere zentralen Organe Gehirn, Herz, Leber und Darm beeinflussen. Es hat sich gezeigt, dass ein trainierter Muskel viel mehr Nährstoffe aufnimmt als ein untrainierter. Das wirkt sich positiv auf Blutzuckerspiegel und Blutfette aus.
Und was passiert, wenn man mit dem Muskeltraining schlampt?
Das kann fatal werden, denn bereits ab 30 baut man ab, wenn nichts dagegen getan wird. Die Sarkopenie, also der Muskelverlust im Alter, ist ein großes Problem und wird wegen der demografischen Entwicklung immer größer. Es geht um einen Verlust der Lebensqualität: Wenn sich die Muskeln abbauen, fällt die Bewegung schwerer, das Sturzrisiko steigt, und damit verbundene Ängste hindern ältere Menschen an weiterer Bewegung. Es droht ein Teufelskreis.
Wer also im Alter mobil, fit und gesund bleiben will …
… der tut gut daran, am besten noch heute mit dem Muskeltraining zu beginnen. Am besten natürlich unter fachlicher Anleitung im Studio mit passenden Geräten. Man kann natürlich auch zu Hause Kniebeugen machen oder Liegestütz. Ausdauer-Training ist wertvoll, aber Krafttraining, also der Aufbau der Muskeln, sollte nicht vergessen werden. Hauptsache, man bleibt in Bewegung.
Und im Sommer? Soll man an heißen Tagen auch in die Muckibude gehen?
Man sollte sein Pensum anpassen. Entweder in den Morgenstunden oder abends, wenn’s kühler ist, trainieren. Und natürlich viel trinken. Möglichst Wasser mit einem Spritzer Zitronen- oder Apfelsaft, aber keine Saftschorle wegen des Zuckergehalts.
Text: Horst Otto Mayer
Foto: Michael Matejka
Lesetipp
In seinem Buch »Muskeln – die Gesundmacher« schreibt Professor Dr. Ingo Froböse: »Wenn es um Sarkopenie geht, den krankhaften Muskelverlust im Alter, sprechen wir immer auch über einen eklatanten Verlust an Lebensqualität. Dieser kann so weit gehen, dass die Betroffenen ihr Leben nicht mehr selbstbestimmt führen können, auf Hilfe angewiesen sind oder sogar ins Pflegeheim müssen. Dabei ist Sarkopenie kein unausweichliches Schicksal, das uns allen früher oder später droht. Wer sich regelmäßig um seine Muskulatur kümmert und sie durch gezieltes Training pflegt, kann diese Krankheit komplett vermeiden. Das gilt nicht nur für Menschen, die schon immer sportlich waren, sondern auch für jene, die sich erst später für Bewegung entscheiden.«