Irgendwann ging es einfach nicht mehr ohne: Helga Schober (Name geändert) hat lange ihr Klapp-Mobiltelefon genutzt. Das alte Gerät war zwar praktisch, aber sie konnte damit weder ins Internet gehen, noch konnte sie sich mit Freunden und Bekannten per WhatsApp austauschen. Und genau das wurde vergangenen Sommer zum Problem. Denn die 79-Jährige ist beim Herzsport, und die Mitglieder sind in einer WhatsApp-Gruppe organisiert. Lange rief die Trainerin Helga Schober per Telefon für Absprachen an; doch das war auf Dauer umständlich.
»Dann habe ich in den sauren Apfel gebissen«, erzählt Helga Schober und muss im Rückblick lachen. Sie besuchte zunächst eine Art Grundseminar zum Thema Smartphone-Nutzung. In dem Seminar saßen mehrere Teilnehmer, die, ähnlich wie sie, noch wenig bis gar keine Erfahrungen hatten. Zwei Kursleiter erklärten geduldig die wichtigsten Kniffe.
Doch das reichte Helga Schober bald nicht mehr aus. »Die beiden Kursleiter haben das wirklich toll gemacht, aber ich brauchte mehr Übung. Wenn man nicht übt, vergisst man vieles schnell wieder«, sagt sie. Zufällig las sie einen Zeitungsartikel über die Digitallotsen des Nürnberger Seniorenamtes. »Ich wollte mich per Telefon vormerken lassen für einen Kurs und war überrascht, dass es sogenannte Tandems gibt.«
Nach dem ersten Anruf beim Seniorenamt ging es relativ schnell: Helga Schober hatte kurze Zeit später einen Tandempartner, also jemanden, der mit ihr Schritt für Schritt die Bedienung ihres neuen Smartphones, das sie mittlerweile geschenkt bekommen hatte, durchging. »Das war einfach klasse, für mich die optimale Lösung«, freut sich Schober. Der Digitallotse richtete nicht nur WhatsApp und den Gruppenchat mit der Herzsportgruppe ein, sondern zeigte ihr auch viele weitere Funktionen des Mobiltelefons.
Im Alltag geht es nicht mehr »ohne«
In Nürnberg gibt es mehrere Möglichkeiten für Senioren, sich die digitale Welt zu erobern. Denn egal ob beim Amt, bei der Bank, im Urlaub oder in der Freizeit: Ohne digitale Kenntnisse ist heute vieles sehr umständlich, und manches geht gar nicht mehr.
Rund ein Drittel der Nürnberger Senioren und Seniorinnen haben noch keinen Zugang zur digitalen Welt. Zusammen mit der Firma Fürst startete das Seniorenamt der Stadt im Herbst 2021 daher das Projekt »Wege in die digitale Welt für Ältere«. Damit will man diesen Menschen die Chance geben, Internet und Smartphone zu erkunden oder bestehende Fertigkeiten zu vertiefen. Die Fürst Gruppe unterstützt das Projekt mit einer Spende. Darüber hinaus engagieren sich Beschäftigte der Firma, beispielsweise als Digitallotsinnen und -lotsen.
Die Lotsen sind ein essenzieller Baustein des Projekts. Das Tandem ist vor allem für diejenigen gedacht, die noch keine Erfahrung mit Smartphone oder Tablet haben. Mit dem Gegenüber lernen sie in ihrem eigenen Tempo, wie man telefoniert, Nachrichten verschickt oder Fotos aufnimmt. Die Digitallotsen treffen sich dafür mehrmals mit den Teilnehmern – manchmal auch bei ihnen zu Hause. Dort können sie beispielsweise prüfen, ob das WLAN richtig eingerichtet ist und gegebenenfalls das Smartphone damit verbinden.
Ein weiterer Baustein sind die Digital-Sprechstunden. Diese richten sich an alle, die bereits ein Smartphone oder Tablet verwenden und konkrete Fragen dazu haben. Wer sich im Alltag schon regelmäßig mit seinem Gerät beschäftigt, der kann sich im Digitalcafé mit Gleichgesinnten bei einem Kaffee austauschen. Das geht ohne Anmeldung, und auch dort sind Ehrenamtliche vor Ort und helfen bei Bedarf weiter.
Helfern macht es Spaß, ihr Wissen weiterzugeben
Für das Projekt hat das Seniorenamt engagierte Helfer gewonnen: Insgesamt sind aktuell 74 registriert. Sie sind zwischen 18 und 83 Jahre alt und haben Spaß daran, in ihrer Freizeit Wissen weiterzugeben.
Spaß sollen auch die Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben. Es gab bereits Ältere, die über 90 Jahre alt waren, als sie ein Tandem in Anspruch nahmen. Das Durchschnittsalter liegt bei 79 Jahren. Gut 170 Senioren wurden seit Projektbeginn ins Tandem vermittelt.
»Wer kein Gerät hat, der hat die Möglichkeit, eines bei uns kostenlos zu leihen«, sagt Angelika Wurth, Mitarbeiterin im Projekt »Wege in die digitale Welt für Ältere« beim Seniorenamt, Fachbereich Quartiersentwicklung und Seniorennetzwerke.
Inzwischen gibt es 17 Digitalcafés
Seit dem Beginn des Projektes, das vor knapp drei Jahren mit einem Digitalcafé im Stadtteil Bleiweiß gestartet war, sind mittlerweile zahlreiche weitere Cafés und Angebote hinzugekommen. Denn der Bedarf ist groß. »Vor allem die Tandems werden gern genutzt«, weiß Angelika Wurth. Die Tandems, Digitalcafés und fast alle Sprechstunden sind für Senioren und Seniorinnen kostenlos. Insgesamt gibt es aktuell 17 Digitalcafés (es sollen weitere hinzukommen) im Stadtgebiet, sodass jeder die Möglichkeit hat, eines in seiner Nähe aufzusuchen.
Das will demnächst auch Helga Schober. Denn sie möchte sich, nachdem sie prima via WhatsApp kommunizieren kann und die Grundeinstellungen ihres Smartphones gut beherrscht, weiter mit sozialen Medien beschäftigten, genauer: mit Instagram. »Ich bin in einem Strick-Treff und möchte mir auf Instagram zum Thema Stricken Bilder und Videos anschauen«, sagt sie. Berührungsängste hat sie keine mehr. »Ich bin froh, dass ich mich getraut und das Tandem gemacht habe.« Sie will unbedingt am Ball bleiben, »jetzt muss ich nur noch herausfinden, welches Digitalcafé in meiner Nähe ist«, sagt sie fröhlich. Aber das kann sie ja jetzt selbst googeln.
Text: Melanie Kunze
Fotos: Fürst Gruppe
Kontakt
- Seniorenamt der Stadt Nürnberg
- Hans-Sachs-Platz 2,
- 1. Stock / Zimmer 112
- 90403 Nürnberg
Projekt »Wege in die Digitale Welt für Ältere«:
Telefon 09 11 / 2 31-66 58
Email: digitale.welt.seniorenamt@stadt.nuernberg.de
Eine Übersicht über alle Angebote und Digitalcafés ist bei den Seniorennetzwerken und im Seniorenamt erhältlich sowie auf der Homepage unter www.nuernberg.de/internet/seniorenamt/wege_in_die_digitale_welt.html aufrufbar.