Menschen wie Barbara S. nutzen die Werbeprospekte mit den wöchentlichen Sonderangeboten der Supermärkte als wichtige Informationsquelle. Jetzt hat die Rewe Unternehmensgruppe als erste große Handelsorganisation in Deutschland die gedruckten Prospekte abgeschafft, die bisher kostenlos an die Haushalte verteilt wurden. Diesen Aufbruch in die digitale Kundeninformation als Beitrag für den Klimaschutz hat der Markt in Weisendorf (Landkreis Erlangen-Höchstadt) vor kurzem mit einem Fest gefeiert.
Stammkundin Barbara S. hat dafür kein Verständnis. Ihr hilft auch der Hinweis nichts, dass alle Rabattaktionen über die Rewe App abrufbar sind und sie über diesen Weg zusätzliche Sparangebote erhält. Denn die 72-Jährige gehört zu der Gruppe, die den digitalen Medien skeptisch gegenübersteht. »Ich habe kein Smartphone und möchte auch keins«, sagt die agile Frau. »Das ist eine Technik, die wir nicht ganz durchblicken«, erklärt sie ihre Zurückhaltung. Welche Programme im Hintergrund aktiv sind, »wer welche Geschäfte mit unseren Daten macht, weiß ich nicht«, ergänzt sie.
Dabei nutzt die Ruheständlerin das Internet durchaus. Wenn sie mit dem Laptop online ist, versucht sie allerdings, so wenige Daten wie möglich zu hinterlassen. »Ich bestelle nichts im Internet«, betont sie. In ihren Augen müssen immer zwei Wege offengehalten werden, damit Onliner und Offliner gleichermaßen an Informationen gelangen können. Schließlich kennt sie zahlreiche Ältere, die gar keinen Zugang zu digitalen Medien haben. Wenn man die 80 überschritten hat, werde es immer schwieriger, mit der Geschwindigkeit Schritt zu halten, mit der in der Onlinewelt Neues etabliert wird. Mal verändert sich die Optik der Nutzeroberfläche, dann der Ablauf eines Logins oder die technischen Anforderungen. Damit hätten auch Leute Probleme, die gut im Netz unterwegs seien, beobachtet sie.
Mit Witz und Wehmut
Mit gedruckten Informationen ist das anders. Deswegen bedauert Barbara S. den Abschied der Rewe-Gruppe vom Papier, auch wenn die Entwicklung jetzt an vielen Stellen zu beobachten ist. Das Reisemagazin Geo Saison hat beispielsweise im Juli seine letzte gedruckte Ausgabe auf den Markt gebracht. Die Redaktion zelebrierte den Abschied von einer treuen Leserschaft mit Witz und Wehmut. Immer mehr Magazine aus dem Freizeitsegment stellen ihre Ausgaben ein. Die österreichische Frauenzeitschrift »Wienerin« gehört ebenso dazu wie ein Heft für Outdoor-Fans. Meist geht es dabei um Umweltschutz, und natürlich spielen die Kosten eine Rolle.
Für Matthias Zwingel steht die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Der Rewe-Marktleiter in Weisendorf ist noch für acht weitere Märkte in der Umgebung verantwortlich und zudem Vizepräsident im Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH). Er ist stolz darauf, dass die genossenschaftlich organisierte Rewe-Gruppe diesen Schritt gegangen ist. »Wir waren auch die ersten, die mit der Plastiktüte aufgehört haben«, verweist er auf andere Aktivitäten im Dienste der Umwelt. Die gesetzlichen Regelungen durch die Bundesregierung im Rahmen des »Green Deals« werden zu weiteren Veränderungen führen, prognostiziert er.
Etwa 20 Prozent aller Empfänger des Rewe Werbeprospekts haben ihn auch gelesen, weiß Zwingel aus Untersuchungen. Dem gegenüber steht der Produktionsaufwand. »Die Zettel werden nicht im Laden gedruckt«, sagt er. Sie müssen meist aus dem Ausland zu den Märkten gefahren werden. Das entfällt künftig.
Um Offlinern trotzdem einen Überblick über die aktuellen Angebote zu bieten, werden diese nun deutlicher als früher am Markteingang platziert. Außerdem ist es möglich, Rewe per WhatsApp zu folgen. Dadurch werden weniger Daten abgefragt als bei der Rewe-App, berichtet Zwingel. Er hofft, dass sich auch die älteren Kunden umstellen und sich über Radiowerbung und Anzeigen in den Zeitungen informieren. Denn »einen Weg zurück sehe ich nicht«, bekräftigt er. Das sei angesichts der Klimaschutz-Politik anachronistisch.
Text: Petra Nossek-Bock/Foto: Wolfgang Gillitzer