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Aufgebrezelt in heiligen Hallen

Cartoon: Sebastian HauG

Am besten sind Kirchenkonzerte. Ich meine nicht die Musik, die ist sowieso Geschmacksache. Sondern die problemfreie Herangehensweise. Zum Beispiel muss man nicht lange vorher überlegen, was man anzieht. In der Kirche ist es meistens kalt (jedenfalls in Nürnberg), folglich ist ein Wintermantel ratsam. Was man darunter trägt, ist völlig egal, sieht ja keiner. Gefütterte Stiefel oder feste Schuhe sind absolut in Ordnung, denn warme Füße tragen erheblich zum Musikgenuss bei. Nach dem Konzert verlässt man inmitten eines friedlichen Besucherstroms die Kirche und macht sich auf den Heimweg. Alles total entspannt.

Ganz anders in der Oper oder im großen Konzertsaal. Man macht sich chic, jedenfalls als weibliches Wesen. Männer haben es wie immer leichter, der alte Anzug tut es auch, die Schuhe spielen keine Rolle. Ein Mann ist ganz ohne eigenes Zutun einfach immer schön! Eine echte Dame hingegen betritt die heiligen Hallen nach besten Kräften aufgebrezelt. Entsprechend der erwarteten Raumtemperatur ist die Oberbekleidung festlich, das Schuhwerk elegant. Da beginnt das Dilemma. Keine Autofahrerin kann unmittelbar vor der Eingangstür halten, so gern sie das auch täte. Ein kleiner Weg vom Parkplatz zum Gebäude ist unumgänglich – aber mit DEN Schuhen? Womöglich bei Regen oder Schneematsch? Noch schlimmer bei der Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Man kann ja nicht in Pumps … und so weiter. Beherzte Zeitgenossinnen (»Ist mir doch egal, was die Leute denken!«) haben einen Schuhbeutel dabei und wechseln in der Eingangshalle vom festen Treter zum eleganten Slipper. Umgekehrt der Schuh-Wechsel nach der Aufführung. Das nennt man pragmatisch.

Und dann ist ja noch, anders als beim Kirchenkonzert, das Warten an der Garderobe, vorher und nachher. Wobei das Nachher immer etwas länger dauert. Clevere Besucher wissen sich zu helfen. Da sind die ganz Gewitzten: Kaum ist der letzte Ton verklungen, drängeln sie sich durch die Reihe, »t’schuldigung«, »t’schuldigung«. Beifall klatschen oder die Zugabe anhören – geschenkt. Dafür flink den Mantel geschnappt (und die Schuhe) und weg sind sie. Und dann gibt es da noch die Stoischen, »wir haben ja Zeit«. Bis sie endlich den Saal verlassen, ist garantiert die Bahn weg oder der Bus – oder ihr Auto steht einsam und verlassen auf dem Parkplatz, »jetzt gibt es wenigstens keinen Stau!«

Darum also lieber in die Kirche, auch wegen der Nase! Nasse Mäntel riechen zwar manchmal etwas muffig, aber nichts gegen den Parfum-Nebel der Damen, die anläßlich des kulturellen Events großzügig ihre persönliche Duftnote verbreiten. Da gibt es kein Entrinnen.

Ach ja, und das Husten während des Konzerts – aber halt. Das tun Kirchenbesucher auch, am liebsten an den leisesten Stellen. Was wäre also das Fazit: Man bleibt gemütlich zu Hause und legt eine CD ein. Und dann klingelt das Telefon …

Text: Brigitte Lemberger
Cartoon: Sebastian HauG

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