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Drei zu eins: Kritik der anderen Art

vignette2012 Hello All, Kritik tut weh. Zumindest demjenigen, den sie trifft. Bisweilen auch dem Kritiker, im nachherein: Chef, Lehrer, Kunde, Nachbar, Mutter, grantelnden Senioren in Bus und Bahn. Misslaunige Verbalattacken gegen ungestüme Jugendliche scheinen eine besonders kultivierte Kommunikationsform gewisser Alter in unserem Land zu sein. Direkt, verletzend und meist wirkungslos. Nun sind gewisse Mitmenschen wirklich nur schwer erträglich, auch anderswo. Da lohnt sich ein Blick auf andere Kulturen, wie die mit unerfreulichen Mitteilungen verfahren.
Nordamerikaner haben dazu die Kunst der „drei zu eins“ – Botschaft entwickelt. Stellen wir uns laut rappende Jugendliche an einer Bushaltestelle vor, an der auch genervte Senioren warten. Der berufene Kritiker schickt dem höflichen Rüffel zunächst drei positive Anmerkungen voraus. Z.B. „Euer Talent steht außer Frage. Eure Stimmen sind kraftvoll und euer Repertoire reich an Nuancen.“ So positiv angesprochen werden Sinn und Verstand zur Entschlüsselung der nachfolgenden Botschaft empfänglich. „Wäre es nicht besser, wenn ihr diese Begabung mit Leuten teilt, die eure Kunst mehr zu schätzen wissen, als die hier Anwesenden?“ Kanadische oder amerikanische Kids würden das wie folgt verstehen: „Hey, Klappe oder verpisst euch, grölt‘ wo anders rum“. Für Insider jener Kultur völlig klar. Solche Verbalisierung und Entschlüsselung erfordern natürlich langjährige Übung während der Sozialisation.
In Ostasien muss man sich angesichts unerfreulicher Zeitgenossen und den Geboten zur Harmonie und Gesichtswahrung auseinander setzen. Verhaltensvariante eins bestünde im ostentativen Ignorieren, dem Beispiel der drei Affen folgend, die nichts sehen, hören und sagen. Variante zwei könnte eine „gesichtswahrende“ Ansprache der Rapper sein: „Ohne Zweifel seid ihr aus gutem Hause; ich bin sicher, dass ihr uns Alten hiermit eine Freude bereiten wollt. Bedauerlicherweise ist mein Hörgerät auf diesen Frequenzen schlecht eingestellt und verzerrt die Geräusche schmerzlich.“ Kaum vorstellbar, dass die koreanischen oder japanischen Rapper die Botschaft nicht verstünden und sich alsbald anpassen würden.
Mit aufkeimender Weisheit und Geduld des Alterns fallen vielleicht auch hier dem einen oder anderen Kritikaster Formulierungen ein, seinen Unmut Luft zu machen und dennoch dem Angesprochenen einen ehrenvollen Abgang zu ermöglichen?
In dieser Hoffnung Ihr Global Oldie

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