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Noch mal kräftig in die Hände gespuckt

vignette_nosseck_bockVor wenigen Tagen hat das Autorenduo Stefan von Borstel und Maria Menzel von der Welt kompakt ein Märchen erzählt. Nein, es ist natürlich keines, auch wenn es so klingt. Denn die beiden sind Journalisten und haben einen Beitrag über Senioren verfasst, die gerne im Ruhestand 60 Stunden und mehr in der Woche arbeiten. Und das nicht aus finanzieller Not, sondern aus Spaß. Das kann schon sein. Aber ich habe es langsam satt, dass Ausnahmefälle wie eine Ärztin aus Magdeburg, die ihre Praxis mit ihrem Sohn führt, als Vorbilder für eine ganze Generation herangezogen werden. Die Mär vom Arbeiten bis zum Umfallen wird in letzter Zeit wieder mit besonderer Intensität erzählt.
Denn in meinem Freundeskreis befinden sich etliche Menschen, die sehr engagiert im Berufsleben sind und sich dennoch auf den Vorruhestand freuen.
Hinter dem Beitrag in der Welt kompakt streckte aber noch eine politische Absicht. Nämlich denjenigen eins überzubraten, die sich aus sozialen Gründen gegen ein entfesseltes Arbeitsleben stemmen. Gewerkschaften, Linke und andere sozial Engagierte. Ihnen schrieben von Borstel und Menzel ins Stammbuch, dass es wohl kaum zutreffend sei, dass Menschen im Rentenalter malochen, um ihr Budget aufzubessern. Allerdings zitieren die Autoren vorwiegend privilegierte Berufsstände. Wer als Akademiker spät mit dem Berufsleben anfing, häufig Schreibtischarbeiten verrichtete und zudem verantwortungsvolle Tätigkeiten ausübte, ist einfach weniger verbraucht als beispielsweise meine Blumenhändlerin, die schon mit 50 Jahren etliche körperliche Beschwerden hat.
Meistens ist die Lebensmitte der Zeitpunkt, an dem die älteren Berufstätigen das erste Mal von ihren Kollegen signalisiert bekommen, dass sie langsam ans Aufhören denken sollten – ausgenommen natürlich den Chefs. Die dürfen bleiben. Das Fußvolk wird dagegen abgeschoben. Man denke nur an den seit Jahren betrieben “sozialverträglichen Personalabbau”. Eine Umschreibung für die Entsorgung älterer Arbeitnehmer.
Was mich an dem Artikel und vielen ähnlichen Beiträgen aufregt, ist das Verschwinden des Wortes Ruhe aus dem Rentnerleben. Es ist keine Ruhestand mehr, sondern ein atemloses Beschäftigtsein bis zum Tod. Wer die jüngst erschienen Interviews mit Sterbenden gelesen hat, der weiß was die Menschen am meisten bereuen: sich nicht mehr Zeit genommen zu haben für die schönen Dinge des Lebens.
Übrigens hätte ich gerne auf den zitierten Artikel verlinkt, aber der ist nur gegen Bezahlung zu lesen. So gut ist er denn auch nicht.

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