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Wu- jiào – das Recht auf Mittagsschlaf

Hello all,
schlafen Sie bisweilen auch tagsüber? Nein, nein, Sie müssen sich nicht schämen. Sie sind in bester Gesellschaft: Japaner nennen es „Inemuri“, „wu-jiao“ heißt es in China und „Siesta“ im hispanischen Kulturraum. Bei uns sieht man den Tagesschlaf leistungsfähiger Erwachsener eher mit Argwohn, als ein Zeichen der Schwäche. Denn Tagesschlaf ist hierzulande das Privileg der Kinder und – der Alten. In Deutschland geben in verschiedenen Umfragen ca. 50% der über 65 Jährigen an, „öfters“ einen Mittagsschlaf zu halten. Womit sie zu dem sog. zweiphasigen Schlafmuster der Kindheit (längerer Nachtschlaf und kürzere Tagesschlaf) zurückkehren.
Die hiesige Ächtung des Tagesschlafes der Leistungsträger ging einher mit der Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert. Aus Gemälden und historischen Schilderungen wissen wir, dass früher auch in Deutschland der Mittagsschlaf weit verbreitet war. Er findet sich in der berühmten „Siesta“ der Spanier wieder, die sich auch in anderen mediterranen Ländern noch hält. Nun, die spanische Regierung hat 2005 ihren Beamten die Siesta im Zuge der europäischen Integration entzogen, aber im privaten Sektor lebt sie weiter.
Während die verbliebenen Siestaschläfer und unsere jungen wie alten Mittagsschläfer sich nach Hause auf die Couch zurückziehen, halten Japaner ihren Inemuri und Chinesen den wu –jjào in aller Öffentlichkeit . In der chinesischen Verfassung, Artikel 49; ist die auf eine Stunde begrenzte Mittagsruhe xiu-xi ein Grundrecht aller Arbeitnehmer. So ist es in ganz China, selbst auf „der abtrünnigen Provinz Taiwan“, mittags ein allgemein übliches Bild, ganze Heerscharen an Angestellten über ihren Bildschirmen. und Schreibtischen, Arbeiter auf dem Boden, Verkäufer über den Theken, Fahrer in und neben den Autos und auf Bänken in aller Öffentlichkeit ihren „wu- jiào“ den Mittagsschaf zu nehmen. Japaner bewahren etwas mehr Form und legen sich meist nicht hin. Dafür haben sie die hohe Kunst, im Sitzen und Stehen, sei es im Büro, in Sitzungsräumen oder in der U-Bahn zu dösen, zur Perfektion entwickelt.
So gesehen sind Alte, die sich einen kurzen Tagesschlaf gönnen, also nicht unbedingt Opfer der Alterung, sondern nur in der privilegierten Situation, dem natürlichen Schlafbedürfnis bei natürlich schwankender Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf nachzukommen: So ist es z.Z. vor allem uns Alten in Deutschland vergönnt, ganz modern postindustriell zu leben – und in Einklang mit weltweit verbreiteten Sitten. Willkommen in der globalisierten Welt.
Ihr Global Oldie

4 Antworten

  1. deswegen freue ich mich, rentner zu sein. ein kurzes oder längeres schläfchen, ohne schlechtes gewissen, ist doch ein tolles glücksgefühl, endlich zeit, keiner hetzt mich.

  2. Mein Großvatter hatte jeden Tag seine Siesta geschlafen MIT Schlafanzug und ist mit 85 gestorben ..meine Mutter macht das es auch jeden Tag aber auf den Sofa…und ich….ich träume jeden Tag eine Siesta schlafen zu können…aber die Zeiten erlauben es nicht mehr….Wir Spanier haben keinerlei Vorurteile gegen Siesta und jeder der sich es erlauben kann genießt es….und dies übrigens…bei uns hat nichts zu tun mit Alter…
    Un saludo…

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