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Ist der 1. Mai überhaupt noch zeitgemäß?

“Ne ganz normale 50 Stunden Woche, Heim kommen und erst mal für die Kleinen kochen, ist für sie ja kein Problem, weil die Kids für sie an erster Stelle stehen”. Dieser Songtext von Max Giesinger treibt mir jedes Mal die Zornesröte ins Gesicht. Wieso ist es inzwischen normal, weit mehr 40 Stunden zu arbeiten? Vor allem, wenn man Familie hat? Wo bleibt die Gewerkschaft, ihr Aufschrei? Nichts zu hören. Dabei bin ich Gewerkschaftsmitglied. Aber ich empfinde die Organisation mittlerweile als Leisetreter. Das ganze Thema soziale Gerechtigkeit ist ausgelutscht. Damit Wahlkampf zu betreiben, endet wahrscheinlich nur mit neuen Ungleichheiten. Das ist meine Überzeugung.

Dabei ist die soziale Lage heute verbesserungswürdig. Beispiele dafür finden sich in der Sendung mit Maybrit Illner vergangenen Donnerstag im ZDF. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) und der Staatssekretär im Finanzministerium, Jens Spahn (CDU), haben die Bürger sauber abtropfen lassen. Das zeigt eishc bei einem Gast, der 35 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat und der genauso schlecht gestellt ist wie jemand, der fast gar nichts eingezahlt hat. Das ist keine Solidarität, das ist ungerecht. Nach einem Burn out wurde der Franke ausgesteuert. Später hat er sich etwas aufgebaut. Die Aussage des 58-Jährige, er dachte, er lebt in einem Sozialstaat, aber das stimmt gar nicht, kann man nur unterstreichen.

Es grenzt an Zynismus, wenn Jens Spahn dann fast triumphiert und meint, wenn der Staat weniger Härte gegenüber Arbeitslosen zeigen würde, hätte der gute Mann ja so schöne zweite Karriere kaum hinlegen können. Ebenso wenig gingen dié beiden auf die Nöte eines jungen Mannes ein, der viel mit Sozialämtern zu tun hatte. Was er erlebt hat – und er nannte es Ämterwillkür – könne ja nur ein Einzelfall sein.

Die leise Bitte einer Mutter von vier Kindern, doch weniger zu fordern und mehr zu fördern, verhallte ebensow wie die Bitte des jungen Mannes, weniger Druck aufzubauen. Seine Mutter ist daran fast zerbrochen. Was schert es die selbstgerechte Sozialministerin, die dann von Sonderenten und das Anheben der vorgezogenen Rentenalters auf 65 Jahre schwadroniert oder Jens Spahn, der sich gerne den Lebenslauf der vierfachen Mutter anschauen möchte, um zu sehen, warum sie nicht mehr in die Rentenkasse eingezahlt hat, quasi nciht mehr gearbeitet hat.

Wahrsheinnlich ist Spahn auch ein Verfechter der “ganz normalen 50 Stunden Woche” plus Kindererziehung und Hausarbeit. Das Maß war bei dem talk mit Maybrit Illner entgültig voll, als ein Facharbeiter beklagte, dass er in den Spitzensteuersatz rutscht, wenn er Überstunden macht. Seiner Bemerkung, hier läuft etwas gewaltig schief in Deutschland, haben wahrscheinlich 90 Prozent der Zuschauer zugestimmt. Diejenigen, die das ändern könnten, hatten dazu nichts Neues beizutragen.
Ich hoffe, dass die Gewerkschaften all diese Ungerechtigkeiten, die zeigen, wie wenig ein Bürger geschätzt wird, der sein Leben lang gearbeitet hat, laut, schrill und öffentlich kritisiert und sich für massive Verbesserungen einsetzt. Nur so kann der soziale Frieden erhalten werden.

Wie vor 100 Jahren ist der 1. Mai ein gutes Datum, für die Abschaffung von sozialen Härten auf die Straße zu gehen. Diesmal dafür, dass man nach einem anstregenden Arbeitsleben von seiner Rente auch leben kann ohne Sozialhilfe oder Grundsicherung zusätzlich zu benötigen, dass man als Durchschnittsverdiener nicht durch Absenken des Spitzensteuersatzes und Beibehalten der kalten Progression nichts von dem Mehrverdienst, sondern sogar weniger erhält.

Sorry, dass ich mich in Rage schreibe. Aber ich könnte die Liste noch mindestens 20 Minuten fortsetzen. Aber wer liest das schon? Deswegen bitte einfach im Kopf ergänzen oder über die Kommentarfunktion.

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