Anzeige

Ärzte, Alte und andere Gesundheitsrisiken

vignette2012Hello All, auch Ärzte werden mal krank. Was machen die dann? In Norwegen gaben 80% der befragten Ärzte an, noch in einem Zustand weiter gearbeitet zu haben, bei dem sie ihre Patienten krankschreiben würden. Dazu passen jene 87% der britischen Ärzte, die auch bei einer schweren Erkältung ihren Dienst nicht quittieren*. Solche Studienergebnisse decken sich mit meiner Erfahrung aus der internationalen Gesundheitsforschung: Keine Patientengruppe zeigt sich weniger „compliant“ (dem ärztlichen Rat folgend), als erkrankte Ärzte unter Behandlung eines Kollegen**.
Das ist insofern spannend, weil weltweit Ärzte sich über die mangelnde Kooperation und Einsicht ihrer Patienten beschweren, vor allem über die Älteren. Alte Patienten stehen unter Generalverdacht, weder ihre Krankheiten noch die Therapien vollständig zu verstehen, einen Teil ihrer Medikamente zu verwechseln, Einnahmen zu vergessen und eigenmächtig Dosierungen zu verändern. Mit dieser Schusseligkeit fügen die Alten wegen verschwendeter Medikamente der Volkswirtschaft jährlich Milliardenschaden zu. Aha. Und was dann bewegt Ärzte zu deren gesundheitsverachtendem Verhalten, z.B., selbst hochinfektiös, noch Hand an andere Erkrankte und Geschwächte zu legen? Ist es primär ihre Verpflichtung gegenüber den Patienten auf den Wartelisten, Solidarität mit ihren Kollegen oder der finanzielle Druck der Selbständigen? Frau Ofri* als Ärztin bietet eine weitere Erklärung: Ärzte trennen in ihrem beruflichen Rollenspiel zwischen „ich“, der Therapeut und „ihr“, die Kranken. In dieser Rolle kämpfen sie gegen Erkrankungen stets als Teil des Anderen vis á vis; Krankheit kommt in diesem Rollenverständnis nicht im Ich vor. Ärzte stehen mit diesem Selbstverständnis ihren eigenen Gebrechen mental schlecht gerüstet gegenüber.
Wesentlich unangenehmer ist mir eine weitere Erklärungsmöglichkeit für die offensichtliche ärztliche Non- Compliance: Es fehlt ihnen etwas an Vertrauen in die tagesaktuellen Medikamente und in das Können ihrer Kollegen – aus ärztlicher Erfahrung.
Apropos Erfahrung: Vielleicht sind die als nicht kooperativ gescholtenen Alterspatienten also nicht nur schusselig, sondern auch ein bisschen klüger geworden, aus Lebenserfahrung?
Ach ja, ich vergaß, auch diese Vermutung hätte weltweite Gültigkeit.
Ihr Global Oldie
* „Do not ill“; Danielle Ofri, Washington Post vom 13. November 2013.
**gefolgt von Lehrern, der anderen besonders gefürchteten Berufsgruppe in den Sprechstunden, nicht nur in Deutschland.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

weitere Beiträge

Die Rezepte unserer Omas

Skip to content