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Wilde Ehe – wen stört das heute noch?

Jetzt rüsten sie wieder auf, die Moralapostel. Gerade haben sich die Medien noch darin überschlagen, die Kandidatur von Joachim Gauck als Bundespräsidenten zu feiern, nun suchen sie nach neuem Futter für die Schlagzeilen. Es geht um die “wilde Ehe” des künftigen Bundespräsidenten und seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt. Etliche Journalisten bezichtigen ihn eines losen Lebenswandels. So wird von ihnen nämlich der Begriff “wilde Ehe”, der laut Wikipedia nach dem Ersten Weltkrieg entstanden ist, interpretiert. In den 1940er Jahren, also während des Zweiten Weltkriegs, haben die Menschen dann noch das Bratkartoffelverhältnis hinzu erfunden. Dieses zeigt schon, wie solide ein Zusammenleben von Mann und Frau ohne Trauschein sein kann.
Im Fall von Gauck und seiner First Lady, die ich sogar als sehr nette und kompetente Kollegin kennengerlernt habe, kann ich nichts Wildes am Verhältnis feststellen. Ich frage mich sogar, ob die junge Generation nicht bei diesem Ausdruck gleich mal googelt, was damit gemeint sein könnte. Schließlich stammt der Begriff ja nun nachweislich aus der Mottenkiste der deutschen Sprache. Und die älteren? Die werden in der Mehrheit verwundert den Kopf schütteln. Schließlich entdecken sie gerade die Senioren-WGs, experimentieren mit Lebensformen wie “a part together”. Darunter versteht man eine Lebensgemeinschaft in getrennten Wohnungen. Alles scheint möglich, selbst in fortgeschrittenen Jahren.
Also sind Joachim Gauck und Daniela Schadt nur Ausdruck einer modernen deutschen Gesellschaft. Mag die Schweiz noch heute eine Partnerschaft ohne Trauschein für verrucht halten, aber ansonsten hat Deutschland doch mit einem bekennenden schwulen Außenminister, einem früheren Bundeskanzler, der in vierter Ehe lebt, einem ehemaligen Außenminister, der einst durch seine Vorliebe für Turnschuhe bekannt wurde, schon eine Reihe von führenden Persönlichkeiten in der Weltpolitik gestellt, die im Privatleben wenig Wert auf Konventionen gelegt haben. Trotzdem haben sie ihre Arbeit seriös ausgeführt.
Also kann ich nur sagen: Meinen Segen hat das Paar im Schloss Bellevue, mit oder ohne Trauschein. Ich nehme aber an, sie lassen sich ohnehin nicht davon beeinflussen, was andere meinen.

5 Antworten

  1. Da scheint mir jemand doch in die Falle getappt zu sein, die ihr aufgestellt wurde: Der Rückgriff auf die Ehe passiert nicht, weil die Älteren tolerant sind, sondern weil man mit Beifall von einer Seite rechnen kann, von der man es nicht erwartet. Die Jüngeren heiraten (und lassen sich auch ziemlich zeitnah scheiden, um gleich darauf wieder den gleichen Fehler zu machen) in ziemlich großer Zahl. Sicher gibt es heute auch das Gegenbeispiel, das ist aber nicht so bedeutungsmächtig wie die Ehe. Da reichen sich Konservative aller Altersklassen die Hände.

  2. alles richtig (nicht als Oberlehrer, sondern halt auch meine Meinung), aber diese beiden kleinen Anmerkungen: Nach 1945 gab es schon – und lange Zeit – die sog. Onkelehe, da lebten Frau und Mann als Paar zusammen, sie heirateten nur nicht, weil – wohl meist die Frau – dann die Rentenanspüche verloren hätte – so simpel sind sog. Besonerheiten machmal entstanden. Und als ‘seriös’ würde ich die Herren Schröder und Fischer nie und nimmer bezeichnen (was noch nichts über die Qualität ihrer Arbeit aussagt, aber ich erinnere nur mal daran, dass diese beiden Herren auch verantwortlich dafür waren, dass der Finanzmarkt dereguliert wurde – wie man inzwischen weiß, hatte das schon eine sehr besondere Qaulität).

  3. Wer keine wilde Ehe nicht kennt, kennt eine Onkelehe erst recht nicht.
    Mich stört das geschlamperte Verhältnis der Beiden jedenfalls nicht.

  4. ja, Krümelkacker, das ist eben ein Vorteil des Älterseins. Wenn man sich noch erinnern kann und will, so weiß man manchmal auch Sachen, die die Jüngeren nicht mehr kennen.

  5. “Wilde Ehe” klingt doch schon mal gut, egal ob verheiratet oder nicht. Spannend finde ich vielmehr, dass jetzt die Älteren wieder gefragt sind: nach dem jüngsten Präsidenten Wulff wäre es doch fast Helmut Schmidt -Präsident der “Zeit” und von sonst fast allem- geworden. Da liegt der “Nürnberger aus Liebe” doch altersmäßig gut in der Mitte und dann noch in wilder Ehe.

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