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Trainer vermittelt Spaß beim Deutsch lernen

Freude am Deutsch-Lernen mit Norbert Schürgers haben Betül aus der Türkei und Monika aus Bosnien-Herzegowina.

In der ersten Zeile ein Wort, in der zweiten zwei Wörter, dann drei, dann vier und zum Schluss noch einmal ein Wort – ein solches »Elfer-Gedicht« zu schrei­ben, war die Hausaufgabe, die Norbert Schürgers seinem Integrationskurs am Vortag gestellt hatte. Und Yacub scheint den richtigen Ton getroffen zu haben. Schürgers ist mit dem Vortrag des Mathematiklehrers aus der Türkei jedenfalls sehr zufrieden. Sein Gedicht:

Regen
viele Farben
lang, bunt, schön
Regenbogen sind einfach bezaubernd
Regentag

Ein nüchterner Schulungsraum ist seit Herbst 2022 der Arbeitsplatz des »Unruheständlers« Norbert Schürgers. Viele Jahrzehnte war er in leitender Position bei der Stadt Nürnberg angestellt, war als Leiter des Amts für internationale Beziehungen für die Städtepartner- und -freundschaften mit Kommunen und Regionen in aller Welt zuständig. Nun führt den 69-Jährigen von Montag bis Donnerstag sein Weg in die Gartenstraße 9, wo er aus dem Ausland zugewanderten Menschen jeweils fünf Unterrichtsstunden lang Deutschkenntnisse vermittelt. Hier, inmitten des Stadtteils Gostenhof, bietet die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Nürnberg ihre Integrationsdienste an, die sie im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchführt.

»Ich hatte das Erste und Zweite Staatsexamen abgelegt, aber nie als Lehrer gearbeitet«, erzählt der promovierte Philosoph, Germanist und Politikwissenschaftler. »Als ich von Bekannten hörte, dass die AWO Sprachlehrer sucht, dachte ich: Vielleicht jetzt?« Nach seiner Bewerbung beim BAMF bekam er rasch die Zulassung zur Lehrtätigkeit und stieg zunächst mit einem Sommerkurs Deutsch für junge Erwachsene ein, um dann ein Jahr später einen regulären Sprachkurs mit 600 Unterrichtsstunden zu übernehmen.

Acht Frauen und Männer, die aus ihren Heimatländern nach Nürnberg gekommen sind, um in Deutschland zu leben und zu arbeiten, haben sich pünktlich um 8.45 Uhr eingefunden. Doch bevor es mit dem Unterricht losgeht, saust Schürgers schnell noch in einen Nebenraum und holt sich dort aus dem Schrank einen Würfelbecher. Auch Erwachsene lernen eben lieber spielerisch. Nach einer Konversationsrunde zum Aufwärmen (»Was haben Sie gestern nach dem Unterricht gemacht?«) fragt er reihum nach dem deutschen Lieblingswort, das die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bisher gelernt haben. Während Schürgers die jeweiligen Artikel zu den Substantiven einfordert, erzielt Alexandr aus der Ukraine mit »Bier, das Bier« den ersten Lacher und setzt mit »schlafen« noch eins drauf. Betül, die in der Türkei als Türkischlehrerin arbeitete, findet »die Nase« besonders schön, hat sich aber auch mit »egal«, »naja« und »wunderbar« angefreundet.

Hoher Bedarf an Lehrkräften

»Angesichts der hohen Zuwanderungszahlen nach Deutschland ist Integration zur Daueraufgabe geworden – entsprechend hoch ist der Bedarf an Lehrkräften in den Sprachkursen des BAMF, vor allem in ländlichen Regionen«, erklärt eine Sprecherin des BAMF. Ehemalige Lehrerinnen und Lehrer, die Deutsch oder eine Fremdsprache unterrichtet haben, erhalten von der Behörde eine Direktzulassung zum Unterrichten im Integrationskurs. Aber nicht nur die: »Personen, die ein philologisches oder pädagogisches Fach studiert haben – beispielsweise Anglistik oder Erziehungswissenschaften –, können an einer spezifischen Weiterbildung, der Zusatzqualifizierung Deutsch als Zweitsprache, teilnehmen. Bereits während der Weiterbildung können sie anfangen, im Integrationskurs zu unterrichten«, sagt die BAMF-Mitarbeiterin.

»Wenn du so einen Job machen willst, brauchst du Interesse an den Schülern, an den anderen Kulturen, und die Bereitschaft, die Sichtweise mal zu wechseln«, sagt Schürgers. Neben der Honorierung seiner freiberuflichen Tätigkeit gibt ihm die Gewissheit, etwas Sinnvolles und Gutes zu tun, genug Motivation für das Weiterarbeiten als Rentner.

Nach einer kurzen Pause kommt der rote Würfel ins Spiel. Zwei Vierermannschaften treten gegeneinander an. Es gilt, rund um ein Spielfeld je nach gewürfelter Zahl mit der Spielfigur vorzurücken und dabei Fragen zu beantworten. Gar nicht so einfach, die Verkäuferin um ein Paar Stiefel in Größe 38 zu bitten oder zu fragen, wo sich denn die Elektroabteilung (was für ein schwieriges Wort!) befindet. Themen des alltäglichen Lebens wie Arbeit, Betreuung von Kindern, Einkaufen, Wohnen und Freizeit stehen auf dem Lehrplan, zu dessen Bewältigung die Schülerinnen und Schüler insgesamt sechs Bücher zu je 20 Euro selbst bezahlen müssen. Alle sind eifrig bei der Sache, und immer wieder wird gelacht. Elias, Handy-Reparateur aus Afghanistan, ist kaum zu bremsen, auch wenn Schürgers immer wieder Pluralformen verbessern muss, die Bedeutung von »denn« und »weil« erklärt und vor den Fallen der Prüfung.

Das Bestehen des »Deutsch-Tests für Zuwanderer« bestätigt den Absolventinnen und Absolventen das Sprachniveau B1. Damit können sie beispielsweise aus einer deutlich gesprochenen Unterhaltung über vertraute Themen die wichtigsten Punkte herausfiltern.

Als zweiter Teil des Integrationskurses schließt sich ein 100 Unterrichtseinheiten umfassender Orientierungskurs an, in dem es unter anderem um die deutsche Rechtsordnung, Rechte und Pflichten sowie Werte geht. »Unsere Kursteilnehmer werden uns vom Jobcenter, vom BAMF oder von der Ausländerbehörde geschickt, daneben gibt es auch Selbstzahler«, erklärt Gisela Woitzik-Karamizadeh, Bereichsleiterin der Integrationsdienste im Geschäftsbereich Migration und Integration der AWO Nürnberg. »Wer arbeitsfähig ist, braucht Deutschkenntnisse, um vermittelt werden zu können.« Manche haben eine Odyssee hinter sich und wollen hier endlich in Frieden und Freiheit leben, andere, wie Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, sagen unter Tränen, dass sie wieder zurück in die Heimat wollen. »Geflüchtete, Ehepartner oder Familiennachzug – die Gruppen setzen sich sehr heterogen zusammen.« Das kann auch Deutschlehrer Schürgers bestätigen: »Der Gabelstaplerfahrer sitzt neben dem Ingenieur, die Lehrerin neben der Auszubildenden zur Köchin – das Bildungsniveau ist sehr unterschiedlich, und die Abschlüsse sind mit unseren nicht vergleichbar.«

Das macht den Unterricht anstrengend, und Schürgers braucht ein nachmittägliches Nickerchen, bevor er sich an die bis zu zweistündige Vorbereitung des nächsten Kurstages macht. »Aber ich habe auch viele Freiheiten«, betont er. »Urlaube und freie Tage kann ich zwei, drei Wochen vorher anmelden – und hänge die ausgefallenen Stunden dann hinten an.« Mit seiner zugewandten Lockerheit kommt er gut an bei seinen Kursteilnehmern. So gut, dass sechs seiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler unbedingt seinen Geburtstag mit ihm nachfeiern wollten. »Das ist schon sehr zufriedenstellend.« Keine Frage: Er wird weitermachen.

Informationen zur Zulassung, zu den Zusatzqualifizierungen und auch Empfehlungen für den Unterricht finden Lehrkräfte auf www.bamf.de/lehrkraefte.

Text: Alexandra Foghammar
Fotos: Claus Felix

 

 

 

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