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Schockanrufen und Enkeltricks begegnen

Kriminalhauptkommissar Michael Sporrer erläutert aud der inviva-Bühne von sechs+sechzig, wie man sich gegen Telefonbetrug schützen kann.

Als Rentnerin Anneliese B. den Telefonhörer abhebt, hört sie zunächst nur einen verzweifelten Schrei und lautes Schluchzen einer Frauenstimme. Die Frau gibt sich mit tränenerstickter Stimme als ihre Tochter aus. Anschließend erläutert eine sonore Stimme: »Hier spricht Hauptkommissar Müller. Ihre Tochter hat einen tödlichen Unfall verursacht.« Der Mann schildert den angeblichen Zusammenstoß und unterstreicht, dass an der Schuld der Tochter kein Zweifel bestehe. Dann erklärt er, dass er nun an »Staatsanwältin Vogel« weiterleite. »Damit sie nicht ins Gefängnis kommt, muss sofort eine Kaution in bar in Höhe von 20.000 Euro hinterlegt werden«, behauptet die angebliche Staatsanwältin. Tatsächlich war aber keine Juristin am Apparat, sondern eine versierte Betrügerin, die mit ihrem Kollegen versuchte, jemanden um sein Erspartes zu bringen.

Durch derartige Schockanrufe versetzen Kriminelle derzeit wieder ihre Opfer in einen psychischen Alarmzustand, so dass diese vor lauter Panik nicht mehr rational nachdenken. »Die rhetorisch gut geschulten Betrüger lösen bei den Angerufenen massiven Stress aus. Gleichzeitig bauen sie ein Vertrauensverhältnis nach dem Motto auf: ‚Wir helfen Ihnen in dieser schwierigen Situation´. Dabei geht es aber nur darum, möglichst rasch viel Geld zu ergattern«, erklärt Kriminalhauptkommissar Michael Sporrer, der seit Jahren mit seinen Kollegen intensiv Aufklärungsarbeit zum Thema Telefonbetrug betreibt.

Der stellvertretende Leiter der »Zeughauswache« in der Nürnberger Fußgängerzone, in der sich die polizeiliche Beratungsstelle befindet, kennt die Tricks der Ganoven: Statt eines schrecklichen Unfallszenarios wird oft auch geschildert, dass ein Angehöriger plötzlich mit einer lebensbedrohlichen Krankheit auf der Intensivstation eines Krankenhauses liegt. Ein »Oberarzt« oder »Professor« – natürlich sind es wieder Betrüger – schildert, dass nur ein neu entwickeltes Medikament Hilfe für den äußerst geschwächten Verwandten bringen könne. Gefordert werden zwischen 25.000 Euro und 40.000 Euro. Die Kriminellen spekulieren auf die Hilfsbereitschaft ihrer Opfer.

Der 55-jährige Polizist unterstreicht, dass es sich bei derartigen Betrugsfällen um ausgesprochen redegewandte Kriminelle handelt: Sie haben für jede Nachfrage eine schnelle Erklärung zur Hand, mit der sie mögliche Zweifel ausräumen. Uralt, aber leider immer noch sehr erfolgreich ist ein anderer Trick: die falsche Amtsperson. Der Anrufer gibt sich als Polizeibeamter aus und teilt mit, dass in der Nachbarschaft ein Einbrecher festgenommen wurde. Dabei sei eine Einbruchsliste aufgetaucht, auf der auch der Name des Angerufenen stehe. Ein zweiter Ganove sei noch flüchtig, betont der vermeintliche Polizist, es bestehe also die Gefahr, dass dieser demnächst einbreche. Mit der konkreten Schilderung und einer beruhigenden, sachlichen Stimme erschleicht sich der Unbekannte das Vertrauen seines Opfers. Er bietet als »Service« an, einen Kollegen vorbeizuschicken, der Geld und Wertsachen abholt und sicher auf der Polizeidienststelle verwahrt. Das ist natürlich absoluter Unsinn, denn kein Polizeirevier dient als Depot für Bares und Wertgegenstände. Letztere werden vielmehr Beute der skrupellosen Verbrecher.

Es gibt aber auch die telefonische Variante, in der ein angeblicher Bankkaufmann am Telefon mitteilt, dass etwas mit der Kreditkarte nicht stimme und dass man einen Kollegen vorbeischicke, um diese (nebst Pin) abzuholen. Anschließend wird das Konto abgeräumt.

Falsche Whatsapp-Nachricht

Auch hinter Whatsapp-Meldungen und Messenger-Mitteilungen, dass der Enkel eine neue Handynummer hat, steckt meist eine Betrugsabsicht. Stunden oder Tage später meldet sich der Kriminelle unter der neuen Enkel-Telefonnummer und bittet die Großeltern, Geld für eine Autoreparatur auf das mitgelieferte Bankkonto zu überweisen. Oft wird bei diesen Anrufen Druck erzeugt, damit keine Zeit zum Nachdenken bleibt. Die Betroffenen sollten sich davon aber nicht beeindrucken lassen und ihre Enkel in einem solchen Fall unter der bisherigen Nummer anrufen und nachfragen, so die Polizei.

Kriminalhauptkommissar Sporrer hält es für wichtig, sich diese gängigsten Tricks des Telefonbetrugs zu vergegenwärtigen. Warum sind Senioren häufig die Zielgruppe der Kriminellen? »Zum einen, weil sie so erzogen wurden, dass man die Wahrheit sagt. Warum sollten sie also zweifeln, wenn jemand am Telefon behauptet, er sei Polizist?«, erläutert der Experte. »Ein weiterer Grund: Viele haben Rücklagen fürs Alter gebildet.« Hinzu kommt: Ältere Menschen sind häufig nicht mehr so mobil und leben zurückgezogen. Von raschen Veränderungen im Alltag fühlen sich manche überfordert.

Erfahrungsgemäß gibt es jedes Jahr zwei Wellen von Betrugsanrufen: im Frühjahr und im Herbst, in der Sommerferienzeit nehmen die Telefonate häufig ab. Pro Tag sind es in Mittelfranken 15 bis 25 Versuche, die bei der Polizei angezeigt werden. Doch die tatsächliche Zahl dürfte zehnmal so hoch sein, so die Schätzung. Im Jahr 2022 haben Betrüger ihre Opfer allein in Mittelfranken um über fünf Millionen Euro abgezockt.

Opfer haben Schuldgefühle

Nicht alle Geschädigten bringen die Tat zur Anzeige: »Manche erzählen es nicht einmal ihren Kindern aus Schuldgefühl oder Scham, dass sie auf Betrüger hereingefallen sind«, erzählt Sporrer. »Sie fragen sich im Nachhinein, wie sie nur so naiv sein konnten. Doch sie waren nicht leichtgläubig, sondern wurden von professionellen Tätern getäuscht.« Neben der Kenntnis der verschiedenen Telefonbetrugs-Maschen gibt es noch ein ganz einfaches Mittel, um sich vor Schaden zu bewahren: das Telefonat abbrechen. Alternativ kann man den tückischen Schockanrufen entgehen, indem man sagt: »Rufen Sie mich in zehn Minuten wieder an. Ich versuche inzwischen, meinen Verwandten zu erreichen, um den Vorfall zu klären.« Mit Sicherheit kommt dann kein zweiter Anruf hinterher. Denn das Erfolgsrezept der Kriminellen besteht darin, telefonisch ständig mit – scheinbar absolut glaubwürdigen – Argumenten auf ihr Opfer einzuwirken und so einen stressbedingten Tunnelblick hervorzurufen, aus dem sich Angerufene nicht mehr befreien können.

Mitunter gelingt es der Polizei, Kriminelle vor Ort festzunehmen, die etwa als falsche Polizisten Geld an der Haustüre in Empfang nehmen wollen. Doch natürlich will man auch die Hintermänner belangen, die in Callcentern arbeiten. Dies erfordert oft Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen über die Ländergrenzen hinweg – denn die Büros der Betrüger befinden sich meist im europäischen Ausland, so Kriminalhauptkommissar Sporrer. Und Callcenter in Deutschland beackern dafür Opfer im Ausland. Warum das so ist? So können die Täter leichter ihre Spuren verwischen, der Geldfluss über verschiedene Konten im Ausland ist schwerer nachzuverfolgen, und die Ermittlungsarbeit der Behörden wird dadurch erschwert. Sporrer rät dazu, jede betrügerische Tat mit konkreten Geldforderungen zur Anzeige zu bringen, auch wenn noch nichts übergeben wurde. Denn je mehr Informationen die Polizei sammeln kann, desto höher ist die zu erwartende Strafe bei einer Verurteilung.

Text: Hartmut Voigt
Foto: Claus Felix

 

Kampf gegen den Missbrauch von Rufnummern

Die Bundesnetzagentur erreichten im Jahr 2023 insgesamt 143.061 Beschwerden wegen Rufnummernmissbrauchs, etwa 7000 weniger als ein Jahr zuvor. »Der Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern hat höchste Priorität«, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.

Zur Bekämpfung des Rufnummernmissbrauchs hat die Bundesnetzagentur im Jahr 2023 insgesamt 9.789 Rufnummern abgeschaltet. Eine weitere Nutzung der Rufnummern wird so ausgeschlossen. Zu 1.298 Rufnummern hat die Behörde Fakturierungs- und Inkassierungsverbote verhängt, um Betroffene vor finanziellen Einbußen zu schützen.

Verbraucherinnen und Verbraucher beschweren sich u.a. über unerwünschte Werbefaxe, belästigende Anrufe, kostenpflichtige Warteschleifen, falsche Pop-Up-Fehlermeldungen, Fake-Hotlines sowie Rufnummernmanipulation.

Schwerpunkt der Beschwerden waren jedoch unerwünschte SMS- und Messenger-Nachrichten. Dominiert wurde dieser Bereich von Enkeltrick-Fallkonstellationen, in denen Betroffene von angeblichen Verwandten, meistens Enkelkinder und Kinder, oder guten Bekannten kontaktiert werden. Alleine 6.500 Rufnummern wurden in diesem Zusammenhang abgeschaltet.

Fakturierungs- und Inkassierungsverbote wurden in Fällen erlassen, in denen durch Hacking von Routern oder Telefon­anlagen kostenpflichtige Verbindungen und somit unrechtmäßige Kosten generiert wurden.

Alle diese Maßnahmen werden fortlaufend unter www.bundesnetzagentur.de/massnahmenliste veröffentlicht.

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