Hello All, Lebenserfahrung: ist sie nicht eines der wenigen Privilegien im Alter? Davon habe ich bis zum siebzigsten Lebensjahr reichlich eingeheimst. Gute Erfahrungen – und all die anderen. Vieles davon inzwischen vergessen; vielleicht ein weiterer gütiger Zug des Alterns. Manche Erlebnisse sind mir zu liebgewonnenen Legenden mutiert. Wie mir der Großonkel Schwimmen beigebracht hatte: im hohen Bogen einfach vom Bootssteg ins Wasser geworfen hatte er mich, der harte Brocken. „Halte die Luft an, hatte er mir hinterhergerufen und strample, bis du wieder oben bist!“ Oder hatte er mir das vor der kurzen Luftreise eingeschärft? Es hatte auf alle Fälle irgendwie geklappt. Die Story biete ich mal so oder mal anders dar. Mal war’s an einem gleißenden Sommertag, mal bei strömenden Regen. Die Legende besagt, wie mich ein alter Haudegen, Engländer der alten Schule, vom Nichtschwimmerweichei zum zähen Freiwasserschwimmer verwandelte. Drastisch und effektiv. Die Anekdote ist im besten Falle unterhaltsam; zumindest für mich.
Mehr bekümmern mich meine zu zähen Klischees eingedickten, wiederholten Erfahrungen. Über Jahrzehnte gereift, drohen sie zu selbstgemachten „Fake Memories“, zu vergären: Durchgehend nette kanadische Autofahrer, die auf einsamen Landstraßen in der Nord Terretories sogar anhalten, um den seltenen Gegenverkehr zu begrüßen. Oder chinesische Reiche, die in stinkvornehmen Restaurants teure Rotweine aus Frankreich mit Fanta vermischen. Hatte ich öfters gesehen. Vor wieviel Jahrzehnten? Entweder jetzt einen Realitäts-Check. Oder die Klappe halten. Bevor ich Naive mit solchen Vergangenheitsschnipsel foppe und Ungültiges in die Welt setze. Mächtig peinlich, weil ich mich gegenüber aktuellen Insidern als aus der Zeit gefallen oute; als typischer siebzigjähriger Klugscheißer. Weder lebenserfahren noch altersweise, sondern nur von Vorgestern. Vorsicht, Fake Memories!
Ihre Global Oldie
