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Schlüsselmomente

Hello All,

haben Sie zuhause Schlüssel unbekannter Herkunft? Bis gestern hatten sich bei uns 64 Schlüssel in der auf anonyme Schlüssel spezialisierten Kruschkiste zusammengerottet. Basta. Nicht länger wollte ich diese Ansammlung an Nichtsnutzen tolerieren. Vielleicht, weil sie mir vorkamen wie lästige Antworten auf ungestellte Fragen; ungebetene Lösungsvorschläge für nicht mehr existierende Probleme. Im schlimmsten Falle: stahlharte Beweisstücke für mein erodierendes Gedächtnis.

Ich investierte zwei Stunden, um eine mögliche Biographie der Schlüssel zu eruieren und deren heutige Daseinsberechtigung zu evaluieren. Halbwegs erfolgreich, Restrisiko inbegriffen. Die Sortierung ergab als häufigste Gattung meist fummelig kleine Schlüssel von ausgemusterten Koffern und deren Verschlüsse; völlig obsolet. Denn unser neuzeitliches Gepäck kommt mit Zahlenschlösser daher. Eine andere Sorte Schlüssel bestand aus leichtgewichtigen, dünnen Alublechen mit primitiver Bartstruktur. Die konnte ich den Fahrradfelgenschnappschlösser einer verflossenen Radlgeneration zuordnen; also ebenfalls obsolet. Mehr Kopfzerbrechen bereiteten mir solche der elaborierten Sorte, offenbar Haustürschlüssel; zudem an originellen Schlüsselanhängern und in Kunstledertäschchen. Mehrfache Versuche zeigten, dass sie nirgendwo in und an unserem Haus passen. Sind es verwaiste Hausschlüssel von ehemaligen Nachbarn oder Hinterlassenschaften aus den Exwohnungen unserer Kinder?  In den letzten Jahren hat niemand von uns irgendwelche Schlüssel zurückgefordert; also erkläre ich jene als ebenfalls obsolet. Ein weiteres Dutzend professionell eingeschliffener Schlüssel samt Nummerncode deuten auf Verwandtschaft mit den angesammelten Bügelschlössern hin. Doch in der Kruschkiste wollen sie nicht zusammenfinden. Die Patina verrät eine lange Zeit völliger Nutzlosigkeit in der Kiste; wieder obsolet. Heimatlose Schrank- und Zimmertürschlüssel bildeten den Rest; obsolet.

Immerhin konnte ich fünf Schüssel aus ihrer Verkennung befreien und sie in unseren Alltag reintegrieren. Zwei passen zu aktuellen Fahrradkettenschlössern; einer in das Gartentürchen, einer zum Briefkasten und der letzte gehört zur Dokumentenkassette aus meinen Studientagen. Ihnen verpasste ich nun Anhänger mit Klartext; für alle Fälle. Die restlichen 59 Schlüssel plus verriegelter Schlösser sind Kandidaten für den Wertstoffhof, Container Alteisen. Von ihrem nicht recyclebarem Anhang getrennt, hinterlassen sie in der Kruschkiste farbige Gummimäntelchen sowie zwei Dutzend Schlüsselanhänger mit Souvenirambitionen oder verflossenen Werbebotschaften. Ein melancholisches Erbe, das in mir triste Assoziationen wachruft. Einst gesuchte  Elemente in Schlüsselposition, erweisen sich nun als funktionsloses Alteisen. Vielleicht doch nochmal ein paar Jahre aufheben; im Keller in einem Schuhkarton, als Gnadenhof für unnütze Schlüssel? Ich mag keine verregneten Novembertage.

Ihr Global Oldie

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