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Das war schick: die Telefonkarte

Es ist ja noch gar nicht so lange selbstverständlich, dass wir alle mit einem Telefon in der Tasche herumspazieren – auch wenn wir damit kaum telefonieren, sondern lieber WhatsApp-Nachrichten verschicken. Vor zwei, drei Jahrzehnten, als das Telegramm noch die schnellste Form der Textnachricht darstellte, griff man zum Hörer, um sich mitzuteilen. Entweder am heimischen Apparat oder unterwegs in einer Telefonzelle. In einer kurzen Zeitspanne der Telekommunikation war es schick, wenn man eine scheckkartengroße Plastikkarte in den öffentlichen Fernsprecher stecken konnte, über die die Gesprächsgebühren abgerechnet wurden.

In den 1980-er Jahren begann die Deutsche Bundespost damit, im öffentlichen Raum Kartentelefone aufzustellen, zunächst testweise, darunter auch in Nürnberg am Hauptbahnhof und am Flughafen, ab 1990 flächendeckend. Fortan musste man also nicht mehr das passende Kleingeld parat haben. Die jetzt übliche Telefonkarte gab es beispielsweise für sechs oder zwölf Mark bei der Post, später auch an Kiosken und im Supermarkt zu kaufen. Die Post versprach sich von der Umstellung weniger Arbeitsaufwand, weil die Münzfernsprecher nicht mehr regelmäßig geleert werden mussten. Zudem hoffte man, dass die Apparate nicht mehr des Geldes wegen aufgebrochen würden.

Jetzt begann die kometenhafte Karriere der Telefonkarten. 1986 wurden 1,5 Millionen Stück verkauft; im November 1998 ging die 500-millionste über den Ladentisch. Das 46,2 Quadratzentimeter kleine Kärtchen war in fast jedem Portemonnaie zu finden und wurde von der Wirtschaft bald als originelle Werbefläche entdeckt. Die vielen unterschiedlichen Motive reizten Sammler, die Telefonkarte war sozusagen die neue Briefmarke. Es erschienen Kataloge, Magazine und Sammelordner, Tauschbörsen wurden abgehalten, und teilweise erzielten die Chipkarten erstaunliche Preise. Der »Michel«, das Standardnachschlagewerk für Sammler, wies als teuerstes Modell eine Karte mit einem Motiv das TÜV Berlin aus. Sie wurde im September 1988 zum Preis von 12 DM in einer Auflage von 30.000 Stück ausgegeben und erzielte Spitzenpreise von bis zu 4000 Euro.

Inzwischen ist der Sammlermarkt längst eingebrochen. Schuld daran ist aber weniger das Aufkommen der Handys, die die Kartentelefone überflüssig machten, sondern das Ablaufdatum der Karten drei Jahre nach der Ausgabe. Nur volle Telefonkarten erzielten hohe Preise. Viele Sammler erlitten deswegen herbe Verluste.

Wer beim Aufräumen jetzt noch eine alte Karte findet, braucht sich also keine Hoffnung zu machen, einen wertvollen Schatz in Händen zu halten.

Text: Georg Klietz

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