Anzeige

Das war schick: der Briefbeschwerer

Mit den fleißigen Briefschreibern ist auch der Briefbeschwerer verschwunden. Bild: Michal Jarmoluk/Pixabay

Manche Dinge fallen einem beim Aufräumen in die Hand. Einstige Schmuckstücke sind darunter, die ihrem Besitzer am Herzen lagen. Manche von ihnen wirken wie aus der Zeit gefallen, andere waren Statussysmbol, Mode oder Alltagsgegenstand und weit verbreitet. Das Magazin sechs+sechzig stellt regelmäßig ein Stück vor und freut sich über Einsendungen aus der Leserschaft. Bitte schicken Sie uns Ihre Anregung an: info@magazin66.de

In früheren Zeiten hat der Gang zum Briefkasten noch mehr Spaß gemacht. Grüße aus dem Urlaub oder Liebesschwüre auf parfümiertem Papier – manchmal fand man Überraschendes oder heiß Ersehntes im Briefkasten. Heute bekommt man meistens nur Werbung oder Rechnungen. 

Die schönen Briefe hob man gerne auf. Auf dem Schreibtisch landeten sie unter einem Briefbeschwerer, der mit seinem Gewicht signalisierte, wie wichtig dem Empfänger diese Kuverts waren. So waren sie windsicher verwahrt und doch jederzeit greifbar.

Der Briefbeschwerer ist ein bisschen aus der Mode gekommen, gemeinsam mit dem Briefeschreiben. Dabei war er mal ein echtes Statussymbol. Ein Boden aus Metall oder Stein und darauf Figuren, etwa Miniaturen bekannter Kunstwerke, zeigten, dass hier jemand mit Geschmack und Kunstsinnigkeit seinen Schreibtisch dekorierte. Die Grenze zwischen Kunst und Kitsch wurde immer wieder überschritten. Besonders beliebt waren Briefbeschwerer aus Glas, vor allem wenn sie aus Murano, der Glasbläserinsel in Venedig, stammten. Sie verbreiteten sich ab Ende des 18. Jahrhunderts und entwickelten sich zu begehrten Sammlerobjekten. In der Zwischenkriegszeit produzierten die Arbeiter in den Glashütten Bayerns, Schlesiens, Sachsens, Böhmens oder in der Lausitz »geschundene« Briefbeschwerer, so genannt, weil sie in Pausen oder am Feierabend hergestellt wurden. Danach verlor der Gegenstand nach und nach an Bedeutung. Der Mord mit einem Briefbeschwerer, von Dostojeswski in »Die Brüder Karamasow« beschrieben, würde heute so wohl nicht mehr ausgeführt. Wurde in der Literatur eigentlich inzwischen jemand mit einem Laptop erschlagen? 

Der Briefbeschwerer hat es als typisches Element der Volkskunst in einige Museen geschafft. In Bernried am Starnberger See stellt das »Museum der Phantasie« 3000 Briefbeschwerer aus, ein Großteil davon stammt aus dem Nachlass von Lothar-Günther Buchheim. Noch größere Sammlungen kann – wer mag – im Glasmuseum Wertheim, im Stadtmuseum Cottbus und in Schloss Klippenstein in Radeberg besichtigen. Aber seien wir ehrlich: Interessanter als die Beschwerer sind immer noch die Briefe darunter. 

Georg Klietz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Skip to content