Hello All,
früher stresste mich bisweilen der pralle Terminterminkalender; in jüngerer Zeit dessen gähnende Leere. Samt dem miesen Gefühl verpasster Lebenschancen. Allmählich kommt etwas mehr Bewegung auf. Ich kann wieder halbwegs sicher reisen, mit Impfung, Maske, Hygienespray und ein paar Formularen im Rucksack. „Break free“ von Queen röhrte mir im Kopf nach der Ankunft auf der Insel. Ich war high von tiefblauem Himmel, würziger Seeluft, kristallklarem Meer und kilometerlangem Kiesstrand. Ich gab den von der Leine gelassenen Touristen zum besten, kostümiert mit Shorts, offenem Hemd, Strohhut auf dem Kopf und Wandersandalen an den Füßen. Frei, frei, frei! Bummeln, Schwimmen, Schlemmen, Schauen und Dösen.
Dösen? Darf man ausgerechnet auf Rhodos weilen, um dann die kulturgetränkte Landschaft links in der Sonne liegen zu lassen? Einst, als emsiger Manager und pflichtbewusster Familienvater, hätte ich mir ruhigen Gewissens pure Entspannung und Geschichtsabstinenz zugestanden. Doch wovon sollte ich mich als Ruheständler, nach den beklagten „bleib daheim“-Monaten erholen? Bildungsdruck, ja, blanker Stress fraß sich in mir hoch; bloß jetzt nichts versäumen. Also auf zu den applaudierten Burgen, Mauern, Museen und Tempeln.
Zeitgleich schienen Tausende andere ähnlich motiviert, die sich mit uns durch die Gassen von Lindos schoben. Offensichtlich mit dem Schwarmziel, noch vor der Nachmittagshitze die Akropolis auf dem Burgberg zu erklimmen. Ich spürte erneut Stress. Zu viele Leute. Eingezwängt in den Besucherstrom, sah ich mich meiner frisch eroberten Freiheit schon wieder beraubt. Und wo bleibt der mühsam antrainierte 1,5 m Abstand in dem Bildungsgetümmel? Noch während ich in Gedanken mit den Fotografen, Langsamgehern, Souvernierguckern und Gegenverkehr haderte, kam ich ins Schlittern. Die abgewetzten Steine spiegelten unter mir glattpoliert. Je steiler der Anstieg, desto mehr rutschten mir die Füße auf dem Pflaster weg. Ich verlor die Balance, suchte Halt, wurde unsicher, langsamer und dann selbst zum Hindernis. Es wurde mir peinlich klar: ich werde diesen Pfad nicht heil nach oben und erst recht nicht unbeschadet hinunterschaffen. Nicht der Kreislauf, nicht das Alter, nicht die Wärme zwangen mich zum Aufgeben, sondern der mangelnde Grip der Sohlen an meinen Sandalen. So banal, so eindeutig. Beschämt zog ich mir das untaugliche Schuhwerk aus und tappte barfuß den unvollendeten Weg zurück.
Vom Hafen aus grüßte mich die Akropolis vom Fels über mir. Nicht einmal sonderlich hoch. Wie zum Hohn sah ich die ununterbrochene Karawane der anderen Besucher den Berg hinaufziehen. Ich habe es nicht geschafft; eine Niederlage, ein vertaner Tag, den ich am Strand hätte genießen können, ganz ohne Platzangst, Bildungsdruck, Sturzgefahr; eben ohne Stress. Wozu bin ich im Ruhestand?
Ihr Global Oldie
Eine Antwort
Liebe Gobal Oldie, mit dem Universalschuhwerk vieler älterer Touristen, den leichten Wanderschuhen, wäre das wahrscheinlich nicht passiert. Sieht nicht so chic aus, ist aber bequem und bietet mehr Halt. Ansonsten gibt es die Walking/Wanderstöcke zum Abstützen. So ausgerüstet sollten die Sehenswürdigkeiten in Nah und Fern zu bezwingen sein. Denn die Mischung macht*s. Mal faul am Strand, mal emsig im Hinterland. In diesem Sinn viel Spaß beim nächsten Erkundungsurlaub.