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"Hast' n Job für mich in China?"

vignette2012Hello all,
„Ich möchte beruflich noch mal was Neues anpacken. Genug vom bisherigen Trott“, sagte mir Ulli, ein Bekannter aus Norddeutschland. „Was hältst Du davon, mich in China nach einem Job umzusehen?“ Für ein deutsches Unternehmen?“ „Nö, in meinem Alter entsenden die mich nicht mehr. Ich würde zu lokalen Unternehmen gehen, die meine Erfahrung und Herkunft zu schätzen wissen“.
Ulli ist Mitte Fünfzig, Telekom-Experte, beruflich seit Jahren festgefahren, ungebunden. Zeit für einen Neubeginn. Eher ins weltoffene Shanghai oder wie übel das mit der Luftverschmutzung im Beijing sei. „Warum denn nach China, Ulli, du sprichst doch nicht mehr als drei Wörter Chinesisch?“ Ja, weil dort Zukunft geschrieben würde, wirtschaftlich, technologisch und weltpolitisch, das wolle er hautnah mitkriegen; außerdem habe man ihn dort als Geschäftsreisenden bisher stets gut behandelt.
Ich gelte im Bekanntenkreis als berüchtigter Befürworter des globalen Austausches.
Ulli, jenseits der Mitte Fünfzig als weißer Angestellter einer chinesischen Firma? Als ich in diesem Alter war, hatten mich öfters die chinesischen Partner gefragt „Was ist Dein Handicap?“ Nein, das war keine Anspielung auf meine Körperhaltung, sondern die höfliche Frage, wie es mit meinem Golfspiel bestellt sei. Nach dortigen Maßstäben die nächste logische Entwicklungsstufe eines jeden Geschäftsmannes. Wie? Kein Golf? Und das mit Mitte Fünfzig+? Kann der alte Weiße nicht delegieren oder ist er in Wirklichkeit zu Hause sogar ein Versager, der bis Sechzig arbeiten muss?(!)
Zurück zu Ulli. Ich sagte ihm, ja es stimmt, China sei sehr spannend; ja, Chinesen haben viel Respekt vor dem Alter; ja, Deutsche im Allgemeinen, und deutsche Fachleute im Besonderen genießen dort ein gutes Ansehen. Ja, gerade chinesische Mittelstandsfirmen schmücken sich gerne mit ein paar „Westlern“, um eigene internationale Kompetenz aufscheinen und sich im Dialog mit westlichen Kunden unterstützen zu lassen. Besonders in Städten aus der zweiten Reihe jener 117 Millionenstädte Chinas, deren Namen hier meist unbekannt sind. Die sind für Westler ohne Sprachkenntnisse jedoch knochenharter Tobak. Das geht los mit den lateinfreien Beschriftungen und weiter mit der Kommunikation im Alltag jenseits der internationalen Hotels; der Frage, wer im Krankheitsfall, im 6.Lebensjahrzehnt durchaus ein Thema, verständlich helfen kann. Ob er bedacht habe, wie er sich in die strikten Hierarchien und unter das Autoritätsgebaren lokaler Chefs einfügen könnte? Traut er sich die Spielregeln des „Guanxi“- des chinesischen Geflechts aus gegenseitigen Verpflichtungen zu, ohne das in China fast nichts läuft, weder geschäftlich, noch privat? Letztlich, weiß er, wie viel jünger chinesische Belegschaften im Vergleich zu ihm sind ? Worüber würde er mit ihnen sprechen? Denn mit Ausländern ab Mitte Fünfzig spricht man über Golf oder Ruhestandspläne- sonst fällt der Verdacht auf „alternden Looser“. Dieses Image braucht niemand. Selbst wenn das wirklich eine neue Erfahrung wäre, fast egal, in welchem Land.
Ihr Global Oldie

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