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Chinesische Sittenmärchen gestern und heute

Hello all,
ja, ich habe einen Chinadrall, weil da so vieles besonders „krass“ aufscheint. Haben Ihre Kinder oder Enkel mal schon länger nicht angerufen oder Ihnen gar zu billig, wenn überhaupt zum Geburtstag geschrieben? Dann lehren sie Ihnen die hard core Mores, á la Konfuzius. Was ist das? „Schnitt sich die eigene Leber aus dem Leibe, um die kranke Mutter zu nähren“. Oder: „Der Junge wachte die ganze Nacht mit blankem Oberkörper am Bett der Eltern, um die Moskitos auf sich zu ziehen, damit die Eltern in Ruhe schlafen können“. „Er verkaufte sich selbst als Sklave, damit er mit dem Erlös seinem Vater ein würdiges Begräbnis zahlen konnte“. Allmächd….
Drei durchaus ernst gemeinte Beispiele für die Respektbezeugung gegenüber den Eltern. In Gestalt gruseliger Moralgeschichten aufgeschrieben von Guo Jujing im 15.Jahrhundert. So eine Art Grimm’s Märchen für nicht nur kleine Chinesen, zum Vermitteln idealisierter konfuzianistischer Lehren (siehe auch Wikipedia zu „Guo Jujing“ oder „The Herald Tribune“ 7.9. 2012 , „Die Welt“ 18.8.2012).
Vermutlich fühlten sich also auch schon vor 6 Jahrhunderten die Alten in China von den Jüngeren etwas vernachlässigt, sonst würde man ja solche Schocker-Stories nicht in die Welt setzten. Also kein neues Thema und auch kein erledigtes Thema. Wie ähnlich doch China und Europa sind, über Jahrhunderte und Kontinente hinweg…
Vor ein paar Wochen stießen das „Chinesische nationale Komitee zum Altern“ zusammen mit der „Gesamtchinesischen Frauenföderation“ in das gleiche Horn. Nach umfangreichen empirischen Bedarfsanalysen, was Alte in China besonders vermissen, hat Frau Cui Shuhui im Auftrage der o.g. Organisationen 24 neue sittliche Beispiele für angemessene Ehrbezeichnungen gegenüber den Eltern veröffentlicht. Dazu gehören u.a. „ Den Eltern zeigen, wie man im Internet surft; Mama mit ins Kino nehmen; Eltern öfters besuchen; den Eltern eine private Krankenversicherung finanzieren, oder mit den Eltern in Urlaub fahren.
Solche Vorschläge lesen sich für uns nicht sonderlich fernöstlich exotisch. Dennoch hat Frau Cui in lokalen Blogs und Leserbriefen offensichtlich tüchtig öffentliche Kritik bezogen: Junge wehren sich massenhaft gegen solche Ratschläge: Man lebe hunderte bis zu tausenden Kilometern von den Eltern getrennt, um Geld für den Aufstieg der Familie aus der Armut zusammenzutragen. Täglich mehrstündige Pendelei durch Verkehrsstaus, Konkurrenzdruck bis zur Erschöpfung und steil angestiegene Lebenshaltungskosten ließen keinen Raum für weitere Aufgaben, neben Arbeit und Erziehung des einen Kindes. Der Staat und dessen Wohlfahrtseinrichtungen müssen sich um die Alten und deren Bedürfnisse kümmern.
Also, werte Freunde: wenn mal wieder ein Lebenszeichen ihrer jüngeren Lieben zu spät kommt: Drohen sie mit Guo Jujing’s Vorstellungen – und bieten Sie Cui Shuhui’s Kompromisse an. Ich bin auf Ihre Erfahrungen damit sehr gespannt!
Ihr Global Oldie

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