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Freitod zu zweit

Es ist nur eine kleine Meldung, aber ihre Wirkung ist beachtlich. Sie zwingt zum Nachdenken. Ein einst einflussreicher Mann, Eberhard von Brauchitsch, ist gestorben. In einem der wenigen Nachrufe, die ich im Netz gefunden habe, geht der Autor der Wochenzeitung “Die Zeit” nicht so sehr auf die Art ein, wie der Mensch seinem Leben ein Ende setzte, sondern würdigte seine Vita. Eine mit vielen dunklen Ecken. Schließlich steht sein Name für einen der größten Bestechungsskandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Auch als Flick-Affäre ins kollektive Gedächtnis eingegangen.
Was mich beschäftigt ist die Tatsache, dass von Brauchitsch gemeinsam mit seiner Frau seinem Leben ein Ende setzte. Beide waren Anfang 80, waren krank und wohl auch müde.
Die Tochter wusste, so wie sich die Meldung liest, von dem Schritt.
Das finde ich an dem Umstand das berührenste. Wie würde ich darauf reagieren, wenn meine Eltern so einen Plan präsentieren oder ihn zumindest andeuten würden?
Vor nicht allzu langer Zeit führte ich zu diesem Thema ein Gespräch mit einem Klinikpsychologen. Der vertrat die Meinung, Suizid sei auf keine Fall ein Ausweg aus Krankheit und Altersmüdigkeit. Vielleicht trägt der Freitod des Ehepaars Brauchitsch dazu bei, dass dieses Thema mehr ins öffentliche Bewusstsein gelangt.
Den Kommentatoren, die sich im Online-Auftritt der Zeit dazu äußern, ist aber mehr an einer Abrechnung mit dem Toten gelegen. Die Beiträge meisten fallen extrem knapp aus. Den Suizid hat bisher noch niemand dort thematisiert.

3 Antworten

  1. Ein schwieriges tabubelastetes Thema, das durch die besondere Biografie der Betroffenen nicht leichter wird. Der Gedanke mit einer solchen Ankündigung umgehen zu müssen, macht auch mich nachdenklich und erst mal sprachlos.
    Ich hoffe aber dennoch auf die Meinungen anderer!

  2. Freitod bzw Suizid ist meiner Meinung nach die eine Seite dieser Vita über die geredet werden müßte. Auf der anderen Seite steht jedoch vielleicht auch die Überlegung des Ehepaares von Brauchitsch den jeweils anderen nicht allein lassen zu müssen oder der andere (eventuell gesündere) wollte nicht alleine zurückbleiben.

  3. Zu obigen Thema
    gibt es Urteile, da kann man nur den Kopf schütteln.
    Zum Beispiel der Fall, der gestern vor dem Fürther Amtsgericht verhandelt wurde.
    Auf der Anklagebank: eine alte Dame, 80 Jahre alt, das Kapotthütchen tief ins Gesicht gezogen, die Handtasche fest an sich gepresst, als sei dies die letzte Zuflucht, die ihr auf Erden geblieben sei. Ein Häufchen Mensch in der vorderen Kampfzone des deutschen Strafrechts.
    Vor genau einem Jahr hatte die Frau ihren Mann getötet. Auf Verlangen! Er wollte kein Pflegefall werden und seine Frau wohl auch nicht. Nachdem der an Prostatakrebs leidende Patient eine hohe Dosis Schlaftabletten geschluckt hatte, stülpte ihm die Ehefrau – wie verabredet – eine Plastiktüte über den Kopf. Danach schluckte sie ebenfalls Schlaftabletten, ehe sie sich mit dem Fön in die Badewanne legte. Doch der Suizid misslang. Die Frau stürzte und konnte erst nach Tagen von ihrem Sohn befreit werden.
    Eine Geschichte über Vereinsamung im Alter, Hoffnungslosigkeit und die Frage, wie man mit Würde aus dem Leben scheidet. Und ein Ende, mit dem niemand glücklich sein kann, wenn man bedenkt, dass die alte Dame durch den ungeplanten Verlauf der Selbsttötung schon genug gestraft ist.
    So hätte man es auch vor Gericht sehen können. Und Frieden machen können. Aber die Amtsrichter aus Franken wollten an der alten Frau ein Exempel statuieren. Und obwohl auch ein Sachverständiger nicht klären konnte, ob der Mann durch Eigeninitiative oder durch die Hand seiner Frau starb, verurteilten sie die alte Dame wegen Sterbehilfe zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und 4000 Euro Geldstrafe, zahlbar an eine gemeinnützige Einrichtung.
    Man darf sich fragen, was schlimmer ist: die Tat der alten Dame oder das zynische Urteil von Richtern, die das Strafgesetzbuch wie eine Monstranz vor sich hertragen anstelle von Einfühlsamkeit und Urteilsvermögen.
    Dr. Charly, Thailnd

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