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Wer will seine Möbel noch selbst aufbauen?

Wir haben es getan. Nach vielen Jahren haben meine Frau und ich erstmals wieder Ikea-Möbel aufgebaut. Eine Wohnzimmereinrichtung mit Sofa, zwei Schränken und einem TV/Phono-Möbel. Und wahrscheinlich möchten Sie wissen: War‘s schlimm?

Vor der Antwort eine Rückblende. Würden wir unserer vorherigen Generation angehören, wären wir zum mittelständischen Händler gegangen, bei dem unsere Familie schon immer eingekauft hat. Wir hätten uns für ein wuchtiges Sofa, einen Couchtisch mit Marmorplatte und eine Schrankwand entschieden.

Ein mächtiges Teil mit viel Stauraum und großer Düsternis, welches dem Augenschein nach in einer Vollmondnacht von versklavten Zwergen aus einer deutschen Eiche geschnitzt wurde. Obligatorisch die Hausbar mit Klapptür, bestückt mit Dornkaat, Jägermeister und jenem Weinbrand, der es immer wert war, wenn einem so viel Gutes beschert worden war.

Vier schwitzende Männer hätten diese Möbel angeschleppt. Wir hätten sie nicht bedauert, weil wir sicher gewesen wären, dass diese Männer von ihrer Arbeit leben konnten. Gut genug, um an den Samstagen sorgenfrei das Auto zu waschen, danach ein Wannenbad mit Fichtennadel-Schaumbad zu genießen und schließlich beim Feierabend-Bier die Sportschau zu gucken. 

Aber zurück zu Ikea. Der Inbus-Schlüssel ist im April 1981 in unser Leben getreten. Damals eröffnete das hiesige schwedische Möbelhaus. Und wir Nürnberger hatten nun neben der Kirchweih einen zweiten Grund, um nach Fürth zu fahren. Lustige Produktnamen, das Bällebad für die Kleinen und die Kötbullar (kleine Bällchen, die entstehen, wenn man Mutters Fleischküchle durch zehn teilt und neu formt) machten aus Ikea unsere Kultstätte des Familien-Einkaufs.

Und damals wie heute muss man zugeben: Sie sind clever, diese Schweden. Du glaubst ja, dass du zum billigsten Preis beste Qualität bekommst. Was indirekt die ersten Seiten der Bauanleitung vermitteln. In 37 Sprachen wird davor gewarnt, dass umkippende Möbelstücke lebensgefährliche Verletzungen verursachen können. Was absoluter Kokolores ist. Mit einer Ikea-Schrankwand kannst du einen Goldhamster erschlagen, aber sicher keinen Menschen. Es ist halt dünnes Pressspan-Holz.

Die Bauanleitung wiederum ist wahrhaft global, sie besteht aus Bildern und Zahlen. Aber dann: Während das Sofa zack-zack-zack innerhalb von Minuten aufgebaut ist, wird es bei den Schränken fieselig. Man könnte zwar loben, dass ein Ikea-Möbel – ganz zeitgeistgemäß – auch von einem Single ohne jegliche soziale Beziehungen in die Wohnung geschafft werden kann. Wer das Teil aber alleine aufstellen möchte, sollte in seiner Jugend Flugzeugträger-Modelle gebaut haben. 

Man braucht mindestens einen starken Daumen, um Plastik-Stifte zwecks Befestigung nach unten zu drücken. Und es gibt das Kleingedruckte: »Schrauben und Dübel sind nicht im Lieferumfang enthalten.« Tja, und Schrauben und Dübel sind im Durchschnitts-Haushalt das, was Schrauben und Dübel halt sind. Zu lang, zu kurz, zu dick, zu dünn…

Nach getaner Arbeit, Stunden später, spürst du die Schmerzen in Rücken und Knien. Die Glückshormone hingegen sind eher bei den Ikea-Bossen: Ihr Konzern verkauft billiges Material und lässt statt schwitzender Männer die Kundschaft für sich arbeiten. Das sorgt weltweit für 45 Milliarden Euro Jahresumsatz . 

Man könnte sagen: Sie verdienen sich dumm, denn wir sind dämlich. Aber was soll‘s? Wir haben es gewollt. Wir haben es getan. 

Text: Klaus Schrage
Cartoon: Sebastian Haug

Eine Antwort

  1. Ich finde es schon gut, dass Ikea davor warnt, dass die Schränke auf einen fallen können. Und wenn man einen großen Kleiderschrank hat, kann das sicherlich gefährlich werden. Zum Glück habe ich mir ein Umzugsunternehmen mit Aufbauservice bestellt, so muss ich mich noch einmal mit der Anleitung auseinandersetzen.

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