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Bucket- und Anti-Bucket-Liste

Hello All,

wollt Ihr einen Altersgenossen auf subtile Weise verdrießen, versucht es mit dem Buch „1000 Places To See Before You Die”*, 1000 Orte, die man gesehen haben muss, bevor man stirbt.  Inzwischen ein Bestseller mit über einer Millionen verkaufter Exemplare, plus Neuauflagen; zuzüglich launiger Imitate**. Ich unterstelle der einst reiselustigen Autorin Patricia Schultz rein lautere Absichten. Doch sie hat einen vergifteten Geschenkeklassiker in die Welt gesetzt, der sich notorisch auf die Gabentische zum Ruhestandsbeginn oder zu runden Seniorengeburtstagen schummelt. Ich habe diesen Ratgeber inzwischen drei Mal erhalten.

Nichts gegen Reiseliteratur und professionelle Reisetipps. Doch der Zeigefinger im Buchtitel auf das absehbare Ende des Lesers und damit gebotener Eile, verdirbt mir die Laune. Selbst eine auf fünf Prozent abgeschmolzene „Short-List“, nach eigenem Geschmack priorisiert, ist kaum zu stemmen. Aus politischen, ökonomischen und vor allem aus biologischen Gründen.

Solche und ähnliche Werke gehören zu den populären „Bucket-Lists“, Löffellisten. Aufstellungen von Lebenszielen, die man erreicht haben sollte, bevor man den Löffel abgibt, auf Englisch „kick the buck“. Gemäß der Devise, dass ein anständiges Leben zielstrebig zu gestalten sei, unter Priorisierung von Zielen und rationeller Aufteilung der verfügbaren Mittel zu deren  Erreichung. Während meiner Berufstätigkeit und in der Familienphase strukturierten mir mannigfache Verpflichtungen, Terminkalender und Vorzimmer meinen Tagesablauf bis hin zur Langzeitstrategie. Soll ich mich im Ruhestand aus eigenem Antrieb erneut auf Ziele und Bewirtschaftung knapper Mittel wie Zeit, Disziplin und Geld festlegen?

Im wohligen Unterschied zum Vorruhestandsleben ist so eine Bucket-Liste eine intime, private Angelegenheit. Man schuldet niemandem Rechenschaft, ob, wann und welche Levels in Sprachkursen, sportlichen Disziplinen, Anzahl an Konzerten, Museumsbesuchen, Stunden an „Quality Time“ mit Ehefrau, Kindern, Enkeln und Freunden erreicht werden. Aber die Bucket List würde offenbaren, wo man die Latte gerissen hat. Entweder, weil sie unrealistisch geplant war, ohne Raum für die Imponderabilien; oder, schlimmer, dass man im Alter tatsächlich weniger packt, als man von sich selbst erwartet: Frust garantiert, selbst bei Altersmilde sich selbst gegenüber.

Eine Bucket-List aufzustellen, mag Spaß machen. Ich würde sie anschließend verbrennen. Denn ob die Liste der Lebensziele, samt Meilensteinen, auch im Laufe der späteren Lebensjahre rückblickend glücklich macht, bezweifle ich; selbst bei sonnigem Gemüt.

Für vielversprechender halte ich eine Anti-Bucket-List. Eine Aufstellung aller „No-Goes“;  der Dinge, die man im verbleibenden Leben meiden möchte: Einsamkeit, Streit in der Familie, Schulden, Umgang mit langweiligen oder üblen Leuten, Abhängigkeit, schlechtes Essen, zu enge Klamotten und Mundgeruch. Vieles davon erscheint stressärmer und Ressourcen schonend erreichbar. Auch hier empfehle ich: möglichst geheim halten.

Euer Global Oldie

Informationen:

*Patricia Schultz, 2003 und spätere Auflagen
** z.B. „1000 Orte, die man knicken kann“, Dietmar Bittrich 2010

vergl. meinen Blog  „Der Rest des Lebens“, 5. September 2014

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