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Thalaikoothal und andere Unfreundlichkeiten

vignette2Hello All, die gute Nachricht vorweg: die meisten Kulturen ehren ihre Alten. Doch bei prekärer Versorgungslage wurde es mancherorts für die Alten lebensgefährlich. Eschreckend viele Rituale zur Entledigung der Alten kennt die anthropologische Literatur zum Thema Gerontozid oder Senizid. In Notzeiten verschleppte man im alten Japan die betagten Todeskandidaten auf Berggipfel, wo man sie verenden ließ. Im historischen Samoa begrub man während Hungersnöten „Freiwillige“ in Bambusmatten umwickelt bei lebendigem Leibe. Von Alaskas und Kanadas Inuit („Eskimo“ darf man nicht mehr sagen), ist überliefert, dass der Clan bei Lebensmittelknappheit überflüssige Esser in einem Todesiglu versiegelte und zurückließ. Für jene Geopferten bot sich die Chance, so ehrenvoll ihre Familien verlassen zu haben und künftig in den Legenden heroisch weiterleben zu können.
Alles Geschichte von Vorgestern –denkste. Im indischen Bundesstaat Tamil Nadu kämpfen noch heute die Behörden und Hilfsorganisationen gegen den schaurigen Brauch unter der verarmten Landbevölkerung, den siechen Alten ein „Thalaikoothal“ angedeihen zu lassen. Unter Begleitung der Angehörigen werden die Unglücklichen zuerst in Öl gebadet und bekommen anschließend Kokosnussmilch, Tulsisaft und Kuhmilch eingeflößt, mit der Folge von Nierenversagen, Fieber und den Exitus.
Solche grimmigen Erfahrungen zeigen, wozu unsere Gattung in Extremsituationen fähig ist; selbstaufopfernde Güte und Grausamkeit scheinen seit Menschengedenken als Yin-und Yang-Seiten stets beide Optionen parat zu halten. Sollten wir fest verinnerlichen, wenn mal im vollbesetzten Bus im Feierabendverkehr keiner der müden Jüngeren aufstehen will – es könnte für die Alten noch viel schlimmer kommen. Glück gehabt…
Ihr Global Oldie

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