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Unvorsichtiger durch verhandlungssichere Fremdsprachen?

vignette Hello all, Sprachgewandtheit in fremden Zungen bietet Vorteile, gewiss. Jedoch auch Risiken; nicht nur in einer Bar an fernen Gestaden zu fortgeschrittener Stunde. Nützlich erweist sich das Sprechen im Landesstil z.B. beim Feilschen mit Taxifahrern, die verblüffend oft ihre Taximeter und kürzeste Fahrtrouten vergessen, sobald sie Ausländer befördern. Auch arglosere Kontaktaufnahme mit Einheimischen gelingt eher, wenn man sich verbal versteht. Fremdsprachen lassen gebildet erscheinen. Sie erlauben Zugang zu zusätzlichen Informations – und Unterhaltungsquellen. Solide Englischkenntnisse als derzeitige Universalsprache sind ein Muss für jeden, der in wirtschaftlicher, kultureller oder politischer Mission unterwegs ist – mindestens verhandlungssicher in Wort und Schrift. Doch genau bei „verhandlungssicher“ lauert Gefahr, warnt Professor Albert Costa*.
Wer fremdsprachlich abwägt, verhandelt und Entscheidungen trifft, geht tendenziell höhere Risiken ein, als wenn er gleiches in seiner Muttersprache tut, fand Prof. Costa. Dieser empirisch belegte Befund ist nicht trivial. Denn damit sind all jene im Nachteil, die Verhandlungen in einer Fremdsprache mit einem Muttersprachler führen.
Prof. Costa vermutet, dass ein enger Zusammenhang besteht zwischen Muttersprache, verinnerlichten Moral und Vorsichtsgepflogenheiten. Die in der Muttersprache früh erlernten Werte und Normen bilden lebenslang das Leitsystem, das der jeweiligen Kultur entsprechend intuitiv unterscheiden hilft, was Gut und Böse, Wahrscheinlich und Unwahrscheinlich, mehr oder minder erstrebenswert ist. Demnach sind wir muttersprachlich konservativer und vorsichtiger eingestellt. In Fremdsprachen entfernen wir uns ein Stück von dieser intuitiven Orientierung – was Chancen zu Innovationen und Fortschritt bringt, aber eben auch größere Risiken. Die Mächtigen aus Politik und Wirtschaftskreisen sprechen heutzutage meist recht ordentlich Englisch – und nutzen dennoch bei wichtigen Gespräche die Muttersprache mithilfe von Simultandolmetscher; so gesehen eine kluge Vorsichtsmaßnahme.

Wenn sich Ältere der Jugendsprache bedienen, ist schlecht beraten. Zum einen empfinden die Jungen es als “voll peinlich”, wenn sich Alte im Jugendideom “einschleimen” wollen. Zum anderen kann läuft man als Externer jener Subkulturen Gefahr, die Begriffe mit unbekannten Wertnuancen zu verwenden und damit tatsächlich voll daneben zu reden.

Erklärt diese Costa – Theorie vielleicht auch so manche Irrungen von Touristen, wenn sie fremdsprachlich in El Arenal (Sangria und mehr), Las Vegas (Glücksspiel) oder in Pataya („Liebe auf Zeit“) unterwegs sind? So, Sie gewarnt. Sie können nun wieder getrost zurück in den Sprachkurs gehen; der viele Vorteile halber, einschließlich der Demenzprophylaxe durch Sprachlernen im Alter. Ich schätze dieses Risiko als noch ekeliger ein als die Teilnahme an einem Time-Sharing- Angebot in verhandlungssicherem Englisch.

Ihr Global Oldie
*Siehe verschiedene Veröffentlichungen von Professor Albert Costa, Universidad Pompeu Fabra, Barcelona

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