Hello All, Sonja hatte einen Lebenstraum: Südamerika! Verschlungene Urwälder, träge Ströme, bunte Indiomärkte, erhabene Andengipfel, Papageien, Kondore und Lamas riefen nach ihr. Der „antifaschistische Schutzwall“ der DDR – Staatsgrenze trennten sie unüberwindbar von ihrem Jugendziel. Sonja heiratete, bekam Kinder und hegte den Südamerikatraum still weiter. 1989 fiel die Mauer; die Welt stand für Brandenburger offen. Jetzt Südamerika? Erstmal Umzug in den Westen, wegen der Kinder und der besseren Berufschancen; das kostete Kraft und die eheliche Harmonie. Als alleinerziehende Mutter schlug sich Sonja die Südamerikaflause aus dem Kopf, vorerst. Die Kinder würden eines Tages flügge –dann in die Anden. Zehn Jahre später warnten sie Kollegen, dass das mit dem unbezahlten Urlaub oder einer längeren beruflichen Auszeit nicht zu ihrem Vorteil ausgehen könnte, sie sei schon über Fünfzig. Sonja fand neue Liebe in Günther. Günther hatte einen kleinen Bauernhof im Bayerischen Wald und keinerlei Neigung, weiter weg zufahren, als es mit einer Tankfüllung hin- und zurück reichte. Für Südamerika reichte es nicht. Sonja wusste, was sie an Günther hat; sie blieb. Neben Enkel, Günther, Rente und Hof blieb auch die Sehnsucht nach den Anden, Saumpfaden, Inkastädten. Sie las viel über ihr Lieblingsthema; im Internet stieß sie auf eine Homepage über „Lamazucht in Deutschland “. Sonja fuhr zu einem Züchter: Lamas und Alpakas mit dem sanften Blick und hochgerecktem Hals. Sie wirkten stolz und unbeugsam, gelten als zähe Lastentiere und tragen Südamerikas Gene in sich – fast wie sie selbst.
Wenn schon Sonja nicht nach Südamerika kommt, dann kommt eben ein Stück lebendiges Südamerika zu ihr auf den Hof. Gesagt, getan und große Freude daran. Die eleganten Tiere auf der Koppel zogen Menschen an den Zaun: Anfangs neugierige Nachbarn und Wanderer; später gezielt wissbegierige Kindergruppen und Ausflügler; inzwischen bietet Sonja auf dem Hof Kaffee und Kuchen an. Mit den Lamas darf man Wandern gehen; Sonja erklärt das Lamaleben und, wer es wissen will, auch deren Bedeutung für die Entstehung der Hochkulturen in den Anden. Da kennt sich Sonja aus. Heute ist sie Expertin in Sachen Lamas und äußerst belesen zu Südamerika. Sie ist eine vielbesuchte Rentnerin mit täglichen Hege- und Erziehungsaufgaben; sie hat keine Sehnsucht mehr nach Südamerika. Es ist bei ihr angekommen.
Statt eines Kondors steigt über der Lamaherde eine Lärche in den Himmel. Die kann sogar singen, sagt Sonja; der Kondor könnte das nicht.
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