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Leichter sterben

Gerade, wenn es um das Lebensende geht, driften die Meinungen weit auseinander. Dieser Tage steht der Sterbehilfe-Kongress in Zürich an und somit wird das Thema Suizid zum Lebensende ins mediale Bewusstsein gebracht. Ob man sich umbringen darf, wenn man sich in einer ausweglosen Sitation befindet, ist eine moralische Frage, die seit Generationen kontrovers diskutiert wird. Ob es aber erlaubt ist, jemand beim Sterben behilflich zu sein, darum drehen sich die Diskussionen erst seit einigen Jahren wieder, auch in Deutschland. Wegen des Euthanasie-Programms im NS Regime ist es in Deutschland verboten, Sterbehilfe zu leisten. Ich finde das nachvollziehbar. Sieht man sich die Zahlen an, die von Schweizer Sterbehilfe-Organisationen genannt werden, sind es auch nur einige hundert Menschen, die sich vorzeitig aus dem Leben verabschieden möchten und das nicht mehr aus eigener Kraft schaffen und deshalb in der Schweiz den Freitod wählen. Ich meine, das ist kein Grund, eine landesweite Diskussion anzuzetteln und Sterbehilfe zu legalisieren. Damit sind Mißbrauch und Kommerzialisierung Tür und Tor geöffnet.
Um so mehr berührt mich das Ergebnis einer Studie, das gerade eben veröffentlicht wurde. Hier geht es um das genaue Gegenteil: Die Begleitung todkranker Menschen in den eigenen vier Wänden bis zum Tod. Nach dieser Untersuchung entspricht dieser Umgang mit dem Tod weit mehr den Wünschen der Mehrzahl der Älteren. Sie ist aufwändiger und kostenintensiver als die Sterbehilfe. Und genau da liegt wohl das Problem. Dennoch finde ich die Studie zur ambulanten Schmerzversorgung sehr ermutigend. Deswegen zitiere ich hier die Kernsätze. Ich hoffe, dass man den Menschen Hilfe zukommen lässt, wenn es dem Lebensende zugeht, damit er leichter sterben kann. Alles andere ist nach meinem Empfinden wieder einmal das Überschreiten der Privatspähre mit rein kommerziellen Absichten.
Hier nun die Meldung des Wissenschaftlichen Pressedienstes:
Unmittelbar anküpfend an seine jüngst abgeschlossene explorative Begleitstudie über die „Wirksamkeit und Qualitätssicherung in der SAPV-Praxis“, die die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) aus einer umfassenden sozialwissenschaftlichen Perspektive untersuchte, leitet der Augsburger Soziologe Prof. Dr. Werner Schneider jetzt ein wieder auf zwei Jahre angelegtes Anschlussprojekt, das – gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit und von der Paula Kubitscheck-Vogel-Stiftung – speziell über Struktur- und Prozesseffekte der SAPV in Bayern Aufschluss geben soll. Schwerstkranke und Sterbende, bei denen ein komplexes Symptomgeschehen bei weit fortgeschrittener, fortschreitender und in absehbarer Zeit zum Tode führender Erkrankung vorliegt, haben seit 2007 den gesetzlichen Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), in deren Rahmen spezialisierte, multiprofessionelle Palliativteams entsprechende Leistungen erbringen.
2011/12 untersuchte ein multidisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung Werner Schneiders in enger Kooperation mit bayerischen SAPV-Diensten bzw. Palliativteams erstmalig in Deutschland diese neue Versorgungsform aus einer umfassenden sozialwissenschaftlichen Perspektive. Deutlich wurde dabei, dass die SAPV – neben der Linderung körperlicher Symptomatik – eine umfassende Versorgung und Betreuung in der existenziellen Krisensituation am Lebensende leisten muss, um wirksam sein zu können. Wesentlich sind neben einer erfolgreichen Schmerzbehandlung vor allem die Schaffung von Sicherheit für die Patientin oder den Patienten und die Angehörigen in der häuslichen Betreuungssituation sowie das möglichst lange Aufrechterhalten von gewohnten Alltagsroutinen und -ritualen trotz fortschreitender Krankheit.
In 4 von 5 Fällen erfüllbar: der Wunsch „Zuhause bleiben zu können“
Interviews mit Patienten und Angehörigen sowie die Auswertung von knapp 1.500 Patientenbögen haben gezeigt: SAPV ermöglicht ein Sterben zuhause auch für solche Patienten, deren Krankheits- und Lebenssituation durch eine komplexe Symptom-/Problemlast gekennzeichnet ist. Sie vermeidet Notarzteinsätze am Lebensende und reduziert die Notwendigkeit von Klinikeinweisungen weitestgehend. Geht man davon aus, dass die Erfüllung des Patientenwunsches ein Qualitätsmerkmal von „Palliative Care“ darstellt, konnte in weit über 80 Prozent der dokumentierten Fälle dem Wunsch, „zuhause bleiben zu können“, entsprochen werden.
Palliativversorgung im ländlichen Raum
Auf der Grundlage dieser Ergebnisse der ersten Studie zur Wirksamkeit und Qualitätssicherung in der SAPV-Praxis (ausführlichere Zusammenfassung als Anhang) werden von Schneider und seinen Kooperationspartnern nun in einer neuen Studie die Struktur- und Prozesseffekte der SAPV in Bayern untersucht. Das im April 2012 gestartete Projekt wird sich in den kommenden beiden Jahren insbesondere mit Fragen der Abgrenzung von SAPV und AAPV (Allgemeine Ambulante PalliativVersorgung) und mit der Palliativversorgung im ländlichen Raum beschäftigen. Über die Betreuungspraxis der Patienten und ihrer Angehörigen hinaus werden insbesondere auch strukturelle Aspekte der Dienste wie z. B. betriebswirtschaftliche Faktoren, Personalausstattung und Finanzierungsmodelle in den Blick genommen. Die neue SAPV-Studie soll – erneut über reine Versorgungsforschung hinausreichend – vor allem für den ländlichen Raum Möglichkeiten und Grenzen der Erhaltung von Lebensqualität und Selbstbestimmung am Lebensende sowohl in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht explorieren und Aussagen über die aktuelle Praxis in verschiedenen SAPV-Versorgungsszenarien ermöglichen. Wie bei Ihrer Vorgängerin handelt es sich bei der jetzt angelaufenen Anschluss-Studie um die bundesweit aktuell umfassendste sozialwissenschaftliche Untersuchung der Praxis der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Das Projekt wird mit insgesamt 140.000 Euro vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit und von der Paula Kubitscheck-Vogel-Stiftung gefördert.

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