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Altwagen reparieren oder eintauschen?

Hello All,

der Mann vom TÜV kam unter der Hebebühne hervor. Er schüttelte den Kopf. Ihr Wagen ist nicht mehr verkehrssicher. Wollen Sie den Wagen stilllegen? Ich schon; meine zweite, bessere Hälfte des Himmels nicht. In ihrer Kultur pflegt man noch Respekt vor dem Alter. Nicht auf allen Gebieten. Das Durchschnittssalter der PKWs in China beträgt 5,1 Jahre; das des deutschen Fuhrparks 9,5 Jahre. Unser abgemahnter Wagen dient seit 19 Jahren. Länger als die Rekordhalter in Argentinien und Litauen mit ca. 17 Jahren durchschnittlicher Betriebszeit. Haben wir also dem Blechsenior nicht schon genug Ehre und Treue erwiesen? Er wirkt noch rüstig. Zumindest oberhalb der Radkästen von außen, wenn schon nicht von unten, aus dem Blickwinkel des Prüfingenieurs. Mit Schweißen hier und Austausch dort könnten wir uns die TÜV-Plakette nochmals einhandeln, zum letzten Mal vermutlich. Wäre ein spritschonender Wagen oder gar ein Stromer nicht zeitgemäßer? Dann müssten wir manche Gewohnten mitverschrotten lassen, samt des bequemen Einstiegs, vertrauter Kippschalter, knackiger Druckknöpfe und etwas Scheppern.

Der TÜV -Einspruch traf uns nicht unvorbereitet.  Rein vorsorglich hatten wir einige Neuwagenmodelle inspiziert und bestaunt. Die Innenanmutung und Ergonomie zukunftsorientierter Autos sei dem größten Automarkt der Welt, der innovativ gestimmten ostasiatischen Kundschaft, angepasst. Das sollte doch ausgerechnet uns nicht abschrecken. Monitore, Touch-Screens, tief gestaffelte Untermenus, Fiepen und Blinken haben uns dennoch etwas eingeschüchtert. In mir regte sich Senioreneitelkeit. Sind wir inzwischen digital zu ausgelaugt, verklebt mit unverhohlener Sehnsucht nach analogen Bedienungselementen aus dem letzten Jahrtausend? Ist der Altwagen ein rollendes Refugium für Anpassungsmuffel? Die Kinder und Enkel erwarten von uns einen beherzten Schritt in die Moderne. Zum tröstlichen Beweis, dass ihre eigenen Altvorderen nicht im Gestern verharren. Mit gebührender Affinität zur rigorosen chipbasierten Moderne, der Synthese aus Buddhismus und Bildschirm, wohin wir auch greifen. Ein mutig gestalteter Neuwagen führe uns zur modischen und intellektuellen Verjüngungskur. Großeltern for Future!

Bei Erwähnung von „Auto-Recycling“ und „Autoverwertung“  angesichts des aufgebockten Autos entwich meiner zweiten, besseren Hälfte des Himmels merklich Lebensfreude. Auf dem Heimweg, nun zu Fuß,  rumorte Zweifel in mir: Sind Verschrottung und Neubau tatsächlich nachhaltiger als die Reparatur, bei moderater Laufleistung im Jahr? Vielleicht spielten unsere Spiegelneuronen und Empathie für altes Eisen auch noch eine Rolle. Denn seit heute zucken Schweißblitze unter der Karosse und das Ersatzteillager spendiert, was der TÜV begehrt. Es siegte das Team Bequemlichkeit, Gefühl und Nachhaltigkeit gegen Innovation, sozialen Druck und lokale Umwelt. Zumindest in dieser Runde.

Ihr Global Oldie

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