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Aus dem Seelenleben des Reiseleiters

Noch sind keine Reisen ins Ausland möglich. Aber unsere Reiseexperten Thomas Staender und Jörg Albrecht haben sich gegenseitig interviewt und werfen in ihrem Blog bereits einen Blick in die Reise-Zukunft nach der Pandemie 

Thomas Staender: Jörg, ich weiß, dass Dein Herz fürs Reisen, für den Tourismus schlägt … sag mal, wie hast Du`s im zurückliegenden Jahr geschafft, akutes Herzversagen auszuschließen?

Jörg Albrecht: Also mein Herz ist noch ganz fit, aber meine Reiseleiter-Seele leidet schon sehr. Das zeigt sich immer dann, wenn ich mal wieder von meinen Reisen träume und im Traum etwas für meine Gäste organisiere, z.B. Tische im Restaurant für 30 Leute. Was im Übrigen ja durchaus meinem Reisealltag entspricht.

Im ersten halben Jahr der Pandemie hatte ich mir neue Reiseprojekte überlegt und mir Szenarien ausgedacht, wie das Reisen Corona-konform umgesetzt werden könnte. Z.B. mit meinen „Null-Risiko Touren“ in Deutschland, die von den Gästen erst bei Einstieg in den Bus bezahlt werden sollten, ähnlich wie im Linienbus. Aber nachdem die Programme standen und ich sie beworben hatte, erwischte uns immer wieder ein Lockdown oder ein Beherbergungsverbot und machte jegliche Durchführung zunichte. Im letzten Jahr war ich nicht ein einziges Mal in Japan, das erste Mal seit 20 Jahren!

Albrecht: Tom, auf welche Reisen hast du denn im ersten Corona-Jahr verzichten müssen?

Staender: Wie Du weißt, sollte ich am 18. März 2020 zu einer Reiseleitung nach Tokio aufbrechen. Die Rundreise der Gruppe wurde dann schließlich auf den letzten Drücker zwei Tage vor Abflug storniert. Wäre die Absage noch später gekommen, so wäre das Reiseerleben einer Geisterreise gleichgekommen – wie das ja ein Kollege von uns erlebte. Und gleichzeitig mit seiner Gruppe die Sehenswürdigkeiten und den gesamten Reiserhythmus gerade während der Kirschblütenzeit so entspannt wie nie zuvor genießen konnte!

Ja, und dann entfielen natürlich all die Touren und Programme, seien es Tagesausflüge oder Rundreisen mit unseren Reisegästen in der DACH Region, also Deutschland, Österreich und die Schweiz. Unsere wichtigsten Quellmärkte sind Asien und die USA, und gerade mit den nun auf 2022 verschobenen Passionsspielen in Oberammergau hätte letztes Jahr ein goldenes werden können. Ich bin gleichzeitig zuversichtlich, dass wir einer Neubelebung unserer Branche diesen Spätsommer entgegenblicken.

Qualitätsanspruch an die Urlaubszeit wird steigen

Staender: Was glaubst Du, wie Corona unser Reiseverhalten und das unserer Gäste verändert in puncto Erwartungen, Vorsicht und Achtsamkeit unterwegs?

Albrecht: Es wird definitiv wieder eine hohe Nachfrage nach Reisen geben, aber die Erwartungen ans Reisen werden sich ändern! Ich denke, dass mehr Wert gelegt wird auf sinnvolles Reisen z.B. in Punkto Qualität der Reise. Damit meine ich nicht das besonders schicke und teure Hotel, sondern die Qualität der Zeit, die man auf Reisen in einem fremden Land verbringt.

Bei der Reiseplanung muss ich mir als Reisegast ein paar grundlegende Fragen stellen: Will ich als Reisender wieder mit 40 anderen Menschen im Reisebus sitzen oder gönne ich mir den bezahlbaren Luxus einer Kleingruppe oder Privatreise? Wie viel Zeit will ich mit der Planung vor Ort verbringen? Suche ich mir selbst jeden Abend ein nettes Restaurant ohne letztendlich zu wissen, ob ich die richtige Wahl getroffen habe oder vertraue ich einem Guide, der mit mir alle paar Tage in seine Lieblingslokale geht und mich mit den regionalen Spezialitäten vertraut macht? Ich sehe deshalb einen Trend zu ausgewogen gestalteten Reisen mit Reiseleiter. Also kein wildes Abklappern von Sehenswürdigkeiten, sondern ein gut durchdachtes Programm mit den interessantesten Orten einer Region – auch unbekannten – und der Möglichkeit, auch auf eigene Faust die Kultur des Landes kennen zu lernen.

Starke Nachfrage nach maßgeschneiderten Touren

Staender: Ich sehe die Entwicklung gerade in punkto Erwartung und Anspruch ans Reisen ähnlich. Es wird mehr nicht nur mehr Nachfrage an Individualreisen sondern auch an nachhaltigen Angeboten geben. Die letztlich dem von Dir skizzierten Prinzip „Weniger ist mehr“ entsprechen. Viele Reisende nach Japan oder andere Länder werden auf unsere Expertise bauen, um ihr Reiseerleben qualitativ auszuschöpfen. Der sich daraus ergebende Mehrwert ist unbezahlbar und bietet im Vergleich zu einer Pauschalreise von der Stange ein ganz anderes Preis-Leistungsverhältnis.

Welche Empfehlungen möchtest Du der Altersgruppe, also den Mittsechzigern+, die Du ja von Deinen Reiseleitungen gut kennst, für ihre Reiseüberlegungen bzw.  -vorbereitungen geben?

Albrecht: Während der Pandemie haben wir erleben müssen, wie schnell ein Jahr verfliegen kann. Deshalb ist mein wichtigster Ratschlag: Keine Herzenswünsche auf die lange Bank schieben! Egal ob es sich dabei um eine Reise handelt oder um eine Ballonfahrt. Wer immer schon einmal unbedingt eine Jeep-Safari in Südafrika erleben wollte, sollte nach den Erfahrungen der Reisebeschränkungen nicht länger als nötig warten, und einen weiteren Lockdown riskieren, sondern so schnell es wieder möglich sein wird seine Traumreise wahrmachen. Im Moment gehen wir davon aus, dass zum Sommer das Gröbste überstanden sein wird. Aber wann folgt die nächste Pandemie oder Krise?

Gesundheitsvorsorge im Reiseland beachten

Und als weiteren Punkt sollte man bedenken, dass auch auf Reisen eine medizinische Versorgung gewährleistet sein sollte. Ich meine nicht eine ständige Arztbegleitung während einer Gruppenreise. Aber man sollte bei der Reiseplanung bedenken, wie das medizinische System vor Ort aufgestellt ist. Kann man das mit den heimischen Krankenhäusern vergleichen? Sprechen sie dort meine Sprache oder zumindest gutes Englisch oder benötige ich im Notfall schnell jemanden an meiner Seite, der einen Notfall für mich regelt?

Staender: Wahrscheinlich wird mit fortschreitenden Impfungen, wenn die mutierten Virusvarianten eingedämmt werden können, auch das Vertrauen ins Reisen wachsen, ob nun innerhalb Deutschlands, vom Ausland zu uns als auch ins Ausland. Vermutlich wird die Weltgemeinschaft gerade angesichts all der Regelungen und Quarantänebestimmungen einen aufmerksamen Blick aufeinander richten. Was uns letztlich allen gut tun würde. Wachsam uns selbst und anderen gegenüber zu sein. Davon werden Reisende und Reiseleiter künftig gleichermaßen profitieren.

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