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Begleit-App für den sicheren Heimweg

Hoffentlich passiert nichts. Vor allem Frauen sind nachts ungern allein unterwegs. Foto: Kat Pfeiffer

Grün schimmert der Smartphone-Bildschirm, auf der Straßenkarte ist der grüne Punkt zu sehen, der meinen Standort anzeigt. »Schön, dass du gut angekommen bist«, meldet das Handy.
Ich stehe vor meiner Haustür. Der Heimweg ist geschafft – unter den Augen meiner Freundin. Dabei ist die schon längst zu Hause und hält ebenfalls ihr Handy in der Hand. Eine App ist darauf geöffnet: WayGuard.

Es ist eine Begleit-App, über die wir beide virtuell miteinander verbunden sind. Damit kann sie sehen, wie ich an diesem späten Abend von der Bushaltestelle bis nach Hause gehe – als grüner Punkt auf einer Karte, wie bei einem Navigationsgerät. Die Strecke von der Kirche am Rande Erlangens bis zu mir ist nicht lang, nur 500 Meter. Aber Im Gäßla, so heißt der kleine Fußgängerweg, den ich nehmen muss, ist das Licht spärlich. Angst habe ich nicht, aber doch ab und zu ein mulmiges Gefühl.

Tim kennt so etwas nicht. Er wohnt in Nürnberg, hier fühlt er sich immer sicher. Bis vor kurzem hat der 24-Jährige aber in London gelebt. Weil er oft lange gearbeitet hat, ist er erst spätabends joggen gegangen – und hat sich bei WayGuard registriert. »Meiner Freundin zuliebe«, lacht der junge Mann. »Tatsächlich habe ich mich mit der App mehr getraut«, sagt Tim dann doch. Er hat auch mal Laufwege genommen, die er sonst gemieden hat.

Der junge Mann hatte WayGuard bei der Mutter seiner Freundin kennengelernt. Die Mittfünzigerin ist leidenschaftliche Joggerin, auch sie läuft in den Abendstunden »und zwar im Dorf am Waldrand«. Ist sie unterwegs, sitzen ihr Mann oder ihre Tochter zu Hause und beobachten sie dank GPS und der App auf ihrem Weg. »Das gibt ihr Sicherheit«, sagt Tim.

Und nicht nur ihr. 240.000 Nutzer hat die App inzwischen, die der Axa Innovation Campus entwickelt hat, ein Kreativlabor innerhalb der Versicherungsgruppe. Das Team führte viele Interviews, um herauszufinden, welche Probleme die Kunden beschäftigen. »Beim Thema Mobilität kam heraus, dass sich viele im Dunkeln auf dem Nachhauseweg schon mal unwohl fühlen«, sagt Anne Sommer vom Innovation Campus. »In sehr kurzer Zeit ist mit WayGuard eine sehr konkrete Lösung entstanden.«

Positionsangabe in Echtzeit

Deren Ziel: »Ein besseres Gefühl, wenn du alleine unterwegs bist«, sagt Sommer. Wer die App nutzt, kann sich von einem Freund oder Familienmitglied begleiten lassen. Sie müssen das Programm ebenfalls auf ihr Handy laden und können darüber dann auch miteinander chatten. Alternativ kann auch das WayGuard-Team dem Nutzer folgen. In beiden Fällen wird die Position, »verschlüsselt und in Echtzeit« wiedergegeben, betont Anne Sommer. Sobald der »Ich bin angekommen«-Button gedrückt wird, endet die Standortübermittlung.

Nicht immer geht es darum, sich vor einem potenziellen Überfall zu schützen. Heinz ist 78 Jahre alt und bezeichnet sich als rüstigen Rentner, der fit ist und gerne allein etwas unternimmt. Seine Tochter Susanne sorgt sich trotzdem, zum Beispiel, falls er schwer stürzt. Die beiden werben für Vivatar, eine Begleit-App der Firma Bosch. Auch sie funktioniert mit GPS und in Echtzeit. Allerdings verfolgt kein Serviceteam den Heimweg, sondern es muss immer ein Freund oder Angehöriger Zeit haben. Wer sich dadurch noch nicht sicher genug fühlt, kann sich bei beiden Anwendungen telefonisch mit einem Mitarbeiter verbinden lassen. Dieser hält den Kontakt, bis der Anrufer sicher zu Hause ist. Bei Vivatar ist dieser Service jedoch nur in der Premiumversion für 4,99 Euro im Monat enthalten. Beide Apps verfügen außerdem über einen Notfall-Knopf, der die Mitarbeiter alarmiert. Bei Bedarf geben sie den Standort dann an die Polizei weiter. In Nordrhein-Westfalen arbeitet WayGuard bereits mit den Behörden zusammen. In Mittelfranken gibt es eine solche Kooperationen noch nicht. Die Polizei in Nürnberg empfiehlt die App »German Road Safety« mit Tipps für einen sicheren Nachhauseweg.

Es muss nicht unbedingt ein Smartphone sein

Für alle Begleit-Apps gilt: Das Smartphone muss durchgehend mit dem Internet verbunden sein. Anders ist das beim »Heimwegtelefon« aus Berlin. Dieser Service ist seit 2013 erreichbar und funktioniert bundesweit. Dort hebt ein Gesprächspartner ab, der während des Heimwegs dranbleibt. So wie es die beiden Berlinerinnen Frances Berger und Anabell Schuchhardt selbst gemacht haben, wenn sie nachts Mutter oder Freund auf dem Weg nach Hause angerufen haben, um sich sicherer zu fühlen.

Sie gründeten das Heimwegtelefon, bei dem seit 2017 auch Heribert Reßl aus Nürnberg ehrenamtlich abnimmt. »Ich habe es auf Facebook gesehen und fand es eine tolle Sache«, sagt der 60-Jährige. Mehrmals im Monat hat er Schicht, von 20 bis 22 Uhr oder auch mal bis ein Uhr nachts. Dann sitzt Reßl zu Hause in der Südstadt vor seinem PC und führt mit Hilfe einer Telefonsoftware Gespräche mit Menschen, die gerade irgendwo in Deutschland unterwegs sind.

Pro Schicht sind meist drei der 15 freiwilligen Helfer aktiv, die mal eine Minute, mal 20 Minuten mit den Anrufern sprechen. Zu Beginn fragt Reßl nach Standort und Ziel, um über Google Maps zu sehen, wo sich die Anruferin befindet und wie weit sie es noch nach Hause hat. Dafür nutzt Reßl seine guten Ortskenntnisse. »Oft sprechen wir über die Städte, aus denen ich angerufen werde. Ich habe viele schon selbst gesehen.« Aber auch über Berufe oder Hobbys.

Helmut Reßl hat auch schon Nürnbergerinnen am Hörer nach Hause begleitet, »eine sogar in der Südstadt – da hätte ich auch persönlich mitkommen können«, lacht Reßl. Bis zu 50 Anrufe nehmen die Ehrenamtlichen am Tag an. Unterstützung ist willkommen, sagt Reßl, »wir benötigen mehr Helfer«.

Die meisten Anrufer beim »Heimwegtelefon« sind Frauen. »80 Prozent der Nutzer sind weiblich«, sagt auch Anne Sommer von WayGuard. Über 1000 Notrufe hat die App bis heute eingeleitet. Wie bei der damals 17 Jahre alten Laura. Die spazierte im Urlaub im Wald, ehe sie merkte, dass ihr schwindlig wurde. Bevor sie umkippte, setzte sie über die App noch eine Notfallmeldung ab. Als sie mit Hilfe ihrer Standortübermittlung von Rettungskräften gefunden wurde, war sie bereits bewusstlos. Wurde aber gerettet.

Ein dramatisches Geschehen, aber zum Glück nicht der Normalfall. Schließlich sind Begleit-Apps und Heimwegtelefon nicht nur dann wichtig, wenn der Ernstfall eintritt. Sondern vor allem, wenn sie helfen, dass Tausende sich auf dem Heimweg sicherer fühlen. Also: Kommt gut heim!

Timo Schickler

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