Ozan, 43 Jahre alt, Mathematiklehrer, war vor zwei Jahren als Flüchtling aus Syrien gekommen. Früher hatte er noch nie Schnee angefasst. Jetzt steht er beruflich darauf. Für die Wintersaison hat er einen Job an der Loipe im Leutaschtal. Er verkauft und kontrolliert die Loipengebühr für Skilangläufer. Skater und Klassische, Top-Fitte und Bemühte, Schweizer, Deutsche und Österreicher kommen vorbei. In der Vorsaison sind überwiegend Senioren unterwegs; bisweilen zu zweit, doch viele halten allein bei ihm an. Ozan hat Skilanglauf noch nicht probiert, doch es könnte ihm Spaß machen. Ozan wundert sich. Wenn uns Kurden etwas Spaß bereitet, dann lächeln oder lachen wir, sagt er. Im Tirol jedoch kommen die Langläufer mit todernster Miene an ihm vorbei, obwohl sie aus Vergnügen auf der Loipe unterwegs sind. Bei ihm Zuhause würden die Leute gemeinsam mit Freunden und Verwandten auf die Loipe gehen und in Gruppen fahren, anstatt als Einzelkämpfer in die Spur steigen. Noch mehr wundert sich Ozan über die vielen Alten auf den schmalen Brettern. Alte Kurden würden keinen Sport treiben. Schon gar nicht bei Kälte unnötig ins Freie gehen und sich dabei anstrengen. Das kann für Senioren nicht gesund sein. Kurden über sechzig bleiben bei der Familie, da werden sie gebraucht und man kann sich auch um sie kümmern. Im Alter alleine in Urlaub fahren, alleine auf der Loipe unterwegs, sogar stundenlang durch die Landschaft gleiten, gar hetzen?
Die Österreicher, Deutschen und Schweitzer Senioren sind wirklich nett zu ihm, wenn er mit ihnen an der Loipen-Mautstation ins Gespräch kommt. Aber – Ozan lächelt – das sind befremdliche Alte, in ihren eng anliegenden Leggins und taillierten Windjacken, so allein, ernst und sichtbar erschöpft. So wolle er sich eines Tages im Alter nicht vor seinen Kindern und Freunden zeigen müssen.
Wohlbefinden im Ruhestand sieht woanders anders aus!
Ihr Global Oldie