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Renten – Seehofer – Flüchtlinge…

Gibt es diesen Zusammenhang wirklich? Für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU Vorsitzenden Horst Seehofer schon. Er plädiert, wie andere auch, von der eigenen Rentenpolitik, weil er den Wahlkampf für die Bundestagswahl 2017 fürchtet. Unterstützt wird er dabei von der SPD-Linken - eine seltsame Koaltion? Erweitert um Stellungnahmen der Awo und des vdk.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Freitag (14.5.2010) beim 2. Ökumenischen Kirchentag in München auf dem roten Sofa der Kirchenpresse vom Chefredakteur des bayerischen Evangelischen Sonntagsblattes, Helmut Frank, interviewt. Der 2. Ökumenische Kirchentag, zu dem bis Sonntag 125.000 Dauerteilnehmer erwartet werden, steht unter dem Motto "Damit ihr Hoffnung habt". (Siehe epd-Meldung vom 14.5.2010) DER ABDRUCK DES EPD-FOTOS IST HONORARPFLICHTIG!
Angela Merkel hat gute Gründe skepisch zu schauen, da man beim Horschdel Seehofer ja nie so recht weiß… Foto: epd

Wenn sich die Häuptlinge treffen, werden gerne (scheinbar) große Taten ausgeheckt. So geschehen am Mittwoch der letzten Woche, als sich CSU-Chef Seehofer und Kanzlerin Merkel im Kanzleramt trafen. Dort, so der Spiegel, soll der alte Gandler aus Bayern vorgeschlagen haben, höhere Altersbezüge für alle und den Stopp der Riester-Rente auf die politische Agenda zu setzen. Die 2001 von Rot-Grün beschlossene Kürzung der Renten bis 2030 auf nur noch 43% (derzeit 48,7% des durchschnittlichen Bruttogehalts der Beschäftigten).  müsste rückgängig gemacht werden. Denn, so Seehofer, diese Kürzung führe ja dazu, dass „die Hälfte der Bevölkerung in der Sozialhilfe lande“. Diese treffe vor allem Frauen, die ihre Berufstätigkeit unterbrechen, um etwa Kinder zu erziehen.

Und man glaubt es kaum: Seehofer warnte vor Altersarmut. Dagegen könne etwas getan werden meinte der Schwarze aus dem Süden: Höhere Altersbezüge für alle – und die Abschaffung der Riester-Rente. Letztere soll dran glauben, weil – auch hier – nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung privat fürs Alter vor sorge. Zur Erinnerung: 2001 wurden die gesetzlichen Renten reduziert, weil Arbeitsminister Walter Riester die Arbeitnehmer/innen dazu bringen (manche sagen zwingen) wollte, die Lücke zwischen reduzierter gesetzlicher Rente und dem alten Rentenanspruch privat auszugleichen. Diese nach ihm benannte Riester-Rente will der schwarze Mann aus dem Süden  nun der Garaus machen und sie abschaffen.

Wer nun Widerstand bei den Sozis erwartet – der hat sich geschnitten: Einer der ersten, die dem Vorschlag aus dem schwarzen Süden zustimmten war SPD-Vize Ralf Stegner stimmt Seehofer zu. Mit dem bemerkenswerten Satz, dem er dem Kölner Stadtanzeiger in die Laptops diktierte, dass die, die Riesterrente brauchen, sich diese nicht leisten könnten und die, die sie sich leisten könnten, sie nicht brauchen. Wahrscheinlich ist ihm aufgefallen, dass wenn man nachrechnet, die Riesterrente weniger bringt, als wenn man das Geld risikoarm anlegt. Der Rheinischen Post verriet Stegner dann auch noch, dass es ein Ziel seiner SPD sei, nach 2017 das Rentenniveau nicht unter 50% sinken zu lassen. Da setzte Linkspartei-Chef Bernd gleich noch eins drauf und forderte die Rückkehr zu einem Rentenniveau von 53 Prozent.

Seehofer und Stegner – Hand in Hand?

Ja und Nein. Nein, weil da der Teufel im Detail steckt. Aber ja, weil beide diese Forderungen als Teil einer Strategie für den Bundestagswahlkampf 2017 betrachten: So weiß sich Stegner einig mit einer Gruppe von neuen linken Sozis, die in einem Strategiepapier mit dem Titel “Profil schärfen – Sozialdemokratischen Aufbruch gestalten” bereits am 18. März forderten, das Rentenniveau wieder auf über 50 Prozent anzuheben (daneben aber auch das wohl schwierigere Thema: die Abschaffung der Rente mit 67). Die Gruppe um die Gesundheitsexpertin Hilde Mattheis sieht ihre Forderungen auch im Zusammen mit dem SPD-Wahldesaster in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Ähnliches schwebt dem CSU-Chef vor: Das Thema Flüchtlinge müsse zurückgeschoben und das Thema Rente in den Vordergrund rücken. Nur dort sehen sich SPD-Linke und CSU in der Lage dem Druck der Flüchtlings-Protest-Partei AfD etwas entgegen zu setzen. Mit Hilfe des Themas soll auch das Zerbröseln der Volksparteien aufgehalten werden. Fragt sich nur, warum die CSU und ihr Chef dann diverse Rentenreformen in den Jahren 2005 und 2009 zugestimmt und als quasi „alternativlos“ propagiert haben.

 

Stellungnahme des vdk zur Renten”reform”

„Die aktuellen Prognosen zur Altersarmut sind keine Überraschung. Schon seit vielen Jahren weist der VdK immer wieder darauf hin, dass die Altersarmut ein akutes Problem ist und immer weiter um sich greift.“ Das erklärt Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, anlässlich aktueller Berechnungen des WDR.

Demnach droht 2030 jedem zweiten Neurentner die Altersarmut. Der VdK erneuert deshalb seine Forderung nach einer grundlegenden Korrektur der Rentenpolitik und erteilt Maßnahmen wie der Lebensleistungsrente eine Absage. „Die Lebensleistungsrente ist kein geeignetes Instrument, um Altersarmut zu bekämpfen. Sie wird die tatsächlich von Altersarmut betroffenen Menschen kaum erreichen, da die Hürden für die Inanspruchnahme viel zu hoch sind. Die Zugangsvoraussetzungen gehen an den Erwerbsbiografien und der Lebenswirklichkeit vieler Frauen, Langzeitarbeitsloser und Erwerbsgeminderter vorbei“, so Mascher.

„Wir brauchen statt der Lebensleistungsrente einen deutlichen Kurswechsel. Im ersten Schritt muss das Rentenniveau auf dem aktuellen Stand eingefroren werden“, fordert die VdK-Präsidentin. Ungelöst sei nach wie vor auch das hohe Armutsrisiko bei Erwerbsminderung. „Die Rentenabschläge von 10,8 Prozent bei den Erwerbsminderungsrenten müssen endlich weg. Krankheit darf keine Armutsfalle sein“, so Mascher. Die VdK-Präsidentin fordert zudem einen monatlichen Freibetrag im Bereich der Grundsicherung in Höhe von 100 Euro. „Bisher wird jede kleine Rentenanpassung, aber auch die Leistung der Mütterrente mit der Grundsicherung verrechnet. Das hilft alten Frauen, die oft mehrere Kinder erzogen haben, nicht aus ihrer ärmlichen Lebenssituation“, erklärt Mascher.

Der Sozialverband VdK fordert zudem, dass der Mindestlohn so erhöht wird, dass Beschäftigte in Vollzeit mit dem Arbeitseinkommen für den Lebensunterhalt sorgen und eine angemessene Alterssicherung über Grundsicherungsniveau aufbauen können.

AWO Pressemitteilung

 

Alterssicherung: AWO fordert Rentenniveau abzusichern

Berlin, 12. April 2016. „Verhindern wir eine weitere Absenkung des Rentenniveaus nicht, gerät das gesamte System der Rentenversicherung ins Wanken“, kommentiert der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler die heute veröffentlichten Ergebnisse einer WDR-Recherche zum Thema Altersarmut. Demnach droht fast jedem zweiten Bundesbürger der ab 2030 in Rente geht, die Altersarmut. „Die Beschäftigten müssen sich darauf verlassen können, später von ihrer Rente leben zu können. Die AWO fordert jedes weitere Absinken des Rentenniveaus zu stoppen und das Rentenniveau wieder zu verbessern“, betont Stadler.

Um Altersarmut nachhaltig und gezielt vorzubeugen, bedarf es nach Ansicht der AWO unabhängig von der Höhe des Rentenniveaus eines umfassenden Maßnahmenpaketes: Hierzu zählen neben erforderlichen Arbeitsmarktreformen, wie etwa der Eindämmung von Minijobs, Zeitarbeit und sachgrundlosen Befristungen sowie ein Maßnahmenbündel zur Schließung der Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen, mehr Anerkennung für Kindererziehungs- und Pflegezeiten sowie die Einführung einer Mindestsicherung in der Rentenversicherung. Dazu müsse sichergestellt werden, dass die Rente wieder auf jährlichen und lohnorientierten Rentenanpassungen basiert. „Ziel aller Bemühungen muss es sein, dass zukünftige Rentner ein Renteneinkommen erhalten, das die erbrachten Leistungen auch wiederspiegelt“, erklärt Stadler.

Besonders besorgniserregend ist die schlechte Rentenentwicklung vor dem Hintergrund,  dass sich der Arbeitsmarkt derzeit in einer stabilen Verfassung befindet und ein hoher Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu verzeichnen ist. Als Gründe für zu niedrige Renten gelten das niedrige Rentenniveau, geringe Löhne im Einzelhandel oder Gastgewerbe, die hohe Zahl Teilzeitbeschäftigter sowie der wachsende Anteil von Mini-Jobbern und Solo-Selbstständigen. „Die gesetzliche Rentenversicherung muss zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden, die alle gesellschaftlichen Gruppen umfasst, damit auch diejenigen eine Absicherung erhalten, die kaum Ansprüche auf Leistungen im Alter haben“, führt Stadler abschließend aus.

Unter Berufung auf eigene Recherchen und Berechnungen errechnete der WDR, dass fast die Hälfte der Neurentner ab 2030 abhängig von staatlichen Grundsicherungsleistungen wären. Wichtigster Grund dafür sei das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente. Von 2030 an soll es auf bis zu 43,5 Prozent des Durchschnittslohns der gesamten Lebensarbeitszeit sinken. Derzeit liegt das Rentenniveau noch bei knapp 48 Prozent.

 

 

 

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