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Gerontologischer Kolonialismus

Gerade habe ich eine Meldung gelesen, dass es schon sehr viele Vorschläge für das Unwort des Jahres 2012 gibt. Ganz weit vorne liegt die Bezeichnung “Schlecker-Frauen”. Ich hätte da auch noch einen Vorschlag, doch bin ich mir nicht sicher, ob es sich nicht um eine relativ seltene sprachliche Verirrung handelt. Es geht um den Begriff “Gerontologischer Kolonialismus”. Als ich die dazu gehörende Meldung gelesen hatte, dachte ich, es ist doch noch gar nicht Fasching. Aber es ist wohl bitterer Ernst, dass ein Teil der Insitutionen, die sich mit dem demografischen Wandel beschäftigten müssen, wie Pflegekassen oder Politiker, lieber darüber nachdenken, wie sie alte Menschen aus Deutschland ins Ausland verlegen könnten als über bezahlbare Lösungen für eine gute Pflege im eigenen Land.
Ich bin ziemlich erschüttert darüber, dass es offenbar Konzepte gibt, die vorsehen mit Pflegeheimen in Spanien, Thailand oder in osteuropäischen Ländern entsprechende Vereinbarungen abzuschließen. Solange die Menschen im Ruhestand freiwillig in diese Länder auswandern und später dort auch pflegebedürftig werden, ist an solchen Überlegungen nichts auszusetzen. Handelt es sich bei solchen Planspielen aber um die Suche nach Lösungen zur Kostensenkung, ist das strikt anzulehnen. Ich meine, Menschen, die ihr Leben lang in Deutschland Steuern und Versicherungsbeiträge entrichtet haben, sollten auch hier ihren Lebensabend unter menschenwürdigen Bedingungen erleben dürfen. Eine für die Betroffenen bezahlbare Unterbringung in einem Pflegeheim gehört für mich selbstverständlich dazu.
Dann braucht man weder das Wortungetüm des “gerontologischen Kolonialismus” in die Debatte werfen, noch entsprechende Entwicklungen herbeizureden. Am Besten brandmarkt man es gleich 2012 als Unwort des Jahres, oder 2013, denn solange ist das Problem der Versorgung von alten Menschen sicher noch nicht gelöst.

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