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Jede Generation hat ihren eigenen Geschmack

Andree Köthe (rechts) und Yves Ollech berichten über moderne Kochtrends. Foto: Michael Matejka
Er wird als »Pionier der deutschen Gewürzküche« bezeichnet: der 47-jährige Andree Köthe. Der vom »Gault Millau« zum Koch des Jahres 2012 gekürte Köthe führt gemeinsam mit seinem Partner Yves Ollech das Restaurant »Essigbrätlein« am Weinmarkt in Nürnberg. Köthe hält auf der Messe Inviva ein Seminar über Geschmacksfragen. Wir sprachen mit dem Fachmann über Gemüse, Aromen und die Vorzüge der regionalen Küche.
sechs+sechzig: Früher reichten in unserer regionalen Küche Pfeffer, Salz und Majoran. Sind diese Gewürze heute aus der Mode gekommen?
Andree Köthe: Nein, eigentlich nicht, aber es hat sich in unserem Bewusstsein viel verändert. Klar, wir sind in Ge-schmacksfragen von Kindheitserinnerungen geprägt. Wer als Kind im Krieg Steckrüben bekam, kann später keine mehr essen. Ich genieße mit Vorliebe Kartoffelpüree mit braunen Zwiebeln, aber mir schmeckt keine Schweineleber. Meine Frau schätzt eine Schüssel mit frischen Salaten, aber Kartoffelpüree mit Bratwürsten lehnt sie ab. Geschmack sollte nicht nur ein Wiedererken-nungseffekt sein, sondern auch eine Herausforderung.
Was meinen Sie damit?
Wir sollten lernen, unsere Geschmacksnerven zu sensibilisieren. Wir reisen in der Welt herum und können überall fremde Gewürze und Gemüse probieren, eigentlich eine Bereicherung für unsere Sinne. Davon können Jung und Alt profitieren.
Als ich 1998 durch Kalifornien reiste und dabei bei mehreren Weinproben eingeladen war, habe ich erlebt, wie ein älterer Winzer einen jungen Kollegen für seinen hervorragenden Wein lobte. Das hat mir sehr imponiert.
Wie finden Sie neue Kreationen?
Nicht nur bei meiner Tätigkeit am Herd. Ich nutze die vier Jahreszeiten zum Schnuppern und Riechen, um Aromen kennen zu lernen. Die fränkische Region ist unglaublich reich an Wildfrüchten und Wildkräutern. Bei meinen Aromastudien arbeite ich jetzt mit einem Biologen aus Rednitzhembach zusammen. Der bringt immer neue Sachen herbei, die ich noch nicht kannte, einfach gigantisch.
Beispielsweise die Wildquitte, auch Zitrone des Nordens genannt, oder die Zuckerwurzel, sie ist dünner als eine Petersilienwurzel. Gemeinsam haben wir schon 150 Aromen kennen gelernt. Mischgewürze gibt es bei uns nicht mehr. Der Gast soll erkennen, was er isst.
Was passiert in Ihrem Restaurant beim Vorkosten? Konzentration, Anspannung, Geräusche, Nicken?
In unserem Team bedarf es keiner großen Gesichtsverrenkungen. Wenn wir von einem Aroma oder einer Kost überzeugt sind, macht es klick. Wir schauen uns nur an, bewusst, ohne Worte.
Nennen Sie ein Musterbeispiel für Ihre eigenständige Aroma- und Gewürzküche?
1999 hat mein Partner Ollech das Gericht »Rote Bete mit Kümmelkaramell und Roquefortcreme« entwickelt. Es wird immer noch geschätzt, weil es den Gast mit einfachen Aromen konfrontiert und sich nicht über teure Zutaten definiert. Oder als süßer Menü-Abschluss: Milcheis mit Karamellsauce und knusprig gebackenen schwarzen Johannisbeeren. Ich bin stolz drauf, dass unsere Küche ohne teure Edelprodukte auskommt, einfach und auch ethisch vertretbar ist.
Was steht im Winter auf dem Speiseplan, wenn die Gemüseauswahl eher eingeschränkt ist?
Grünkohl, Rotkohl, Schwarzwurzeln. Kohl ist preisgünstig und ein Verwandlungskünstler. Ob Kohlrouladen, Sauerkraut, Gemüsebeilage zu Fleischgerichten oder vegetarisches Hauptgericht – jeder findet da sein Lieblingsgericht.
Gehen die Menschen nach wie vor gerne und teuer essen?
Der Trend, mit Freunden und Bekannten gut essen zu gehen, hält an. Das war schon im Vorjahr sehr ausgeprägt, und ich denke, es wird auch heuer so sein.
Interview: Horst Mayer; Foto: Michael Matejka
BU:Andree Köthe (rechts) und Yves Ollech

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