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Es gibt einen Ausweg aus den Schulden

Ulrike Bade weiß, wie man von Schulden runterkommt.

Die Prognosen über die Zukunft der gesetzlichen Rente sind alarmierend. Immer mehr Menschen im Ruhestand drohen massive Einschränkungen oder gar Armut. Von der zunehmenden Überschuldung privater Haushalte sind sie besonders betroffen. Was man vorbeugend dagegen tun oder wie man aus einer Armutsfalle wieder herauskommen kann, darüber sprachen wir mit Ulrike Bade. Die Sozialpädagogin hat eine Zusatzqualifikation als Schulden-Insolvenzberaterin absolviert und ist in dieser Funktion seit neun Jahren beim Nürnberger Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA) tätig.

sechs+sechzig: Frau Bade, wer kommt denn zu einer Insolvenz-Schuldnerberaterin, weil ihm oder ihr im Alter das Geld nicht reicht?

Ulrike Bade: Grundsätzlich beraten wir im Auftrag der Stadt Nürnberg kostenlos alle Personen jeden Alters, die in Nürnberg und im Nürnberger Land wohnen. Es gibt spezielle Beraterinnen und Berater für Altersgruppen schon ab 14 oder 15 Jahren, und im letzten Jahr haben wir mit einem Projekt angefangen, das speziell auf Seniorinnen und Senioren ausgerichtet ist und vom Bundesverbraucherministerium gefördert wird. Ältere Menschen haben wir natürlich schon immer beraten. Die kommen entweder alleine oder als Ehepaar, manchmal auch mit ihren erwachsenen Kindern. Einige sind wegen Demenz auf Betreuer angewiesen, die sie hierher begleiten. Wir bieten auch Fachberatung an, zum Beispiel für Betreuerinnen und Betreuer.

Kommen sie aus Angst, den Lebensstandard nicht mehr halten zu können, oder aus der puren Not heraus, weil die Rente zum Leben absolut nicht reicht?

Es gibt oft sehr konkrete Auslöser. Wenn Stromrechnungen nicht bezahlt wurden oder wenn man zum ersten Mal mit dem Gerichtsvollzieher zu tun hat und nicht weiß, wie man damit umgehen soll. Oft kommt auch aus dem Familienkreis die Anregung, sich Hilfe zu holen.

Kommen solche Situationen ganz überraschend?

Aktuell hatten wir den Fall einer älteren Frau, der eine Stromsperre angedroht wurde. Weil sie krank war und den Briefkasten nicht leeren konnte, fanden erst die Angehörigen das Schreiben der Stadtwerke. Keiner hatte eine Erklärung dafür, wie das passieren konnte, denn die finanzielle Situation war eigentlich ausreichend.

Was ist der Normalfall?

Wenn die Ratsuchenden zu uns kommen, haben sie oft sehr lange gewartet, den Kopf in den Sand gesteckt oder sich gedacht, sie schafften das selbst. Vielleicht gibt es dann da noch eine Kreditkarte und noch eine, und alle werden bis zur Grenze benutzt. Irgendwann geht es nicht mehr aus eigener Kraft. Die Ratsuchenden gehen nicht gerne zur Schuldnerberatung, und wenn, dann kommen sie sehr spät. Da müssen wir zeitnah reagieren, uns die Sache genau anschauen und mit den Betroffenen reden.

Ist es nicht auch schwer, die Scham zu überwinden, sich jemandem anzuvertrauen und zu Ihnen zu kommen?

Tatsächlich hatten wir schon Fälle, bei denen ältere Ratsuchende sagten, bitte sorgen Sie dafür, dass meine Frau oder mein Mann nichts davon erfährt. Ich komme nicht mehr klar, aber ich möchte nicht, dass andere sich Sorgen machen. Das hat nicht zwangsweise etwas mit Scham zu tun, sondern dass man sich eingestehen muss: Bisher hat es immer funktioniert, aber auf einmal schaffe ich es alleine nicht mehr. Vielleicht wegen des Übertritts ins Rentenalter und wenn eine Mieterhöhung dazu kommt. Da gerät oft viel aus dem Gleichgewicht.

Kann es auch sein, dass manche falsche Erwartungen etwa bei der Höhe einer Witwenrente haben?

Es gibt die große und die kleine Witwenrente. Sie bringen tatsächlich einen spürbaren Einschnitt. Die Fixkosten bleiben ja gleich hoch, etwa die Miete, auch die Versicherungen laufen weiter. Um darüber aufzuklären, gibt es beispielsweise das Seniorenprojekt, das vom Bundes-Verbraucherschutz-Ministerium gefördert wird – mit dem Ziel, die Beratung in einzelnen Stadtteilen näher an die Menschen zu bringen. Die Betroffenen sollen nicht in die Beratung kommen müssen, sondern die Beratung zu ihnen, ins vertraute Umfeld, wo auch Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert. Nürnberg und der Kreis Nürnberg-Land sind einer der zehn Projektstandorte. In diesem Rahmen können wir Vorträge anbieten. Das senkt die Hemmschwelle und führt frühzeitiger zum Nachdenken über die eigene finanzielle Situation.

Wie sieht Prävention konkret aus?

Wichtig ist, dass man nicht die Augen verschließt. Manche wollen das allerdings nicht so genau wissen und denken sich, es wird schon klappen. Außerdem ist es in Partnerschaften oft so, dass sich einer von beiden um die Finanzen kümmert und der oder die andere im Todesfall sich überhaupt nicht auskennt und nicht weiß, wo man sich informiert. Grundsätzlich lassen sich solche Probleme in der Beratung besser besprechen. Wir helfen nicht nur, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und wir schauen, wie wir es herausholen, sondern wir versuchen präventiv, dass es nicht so weit kommt.

Können Sie präventiv planen, welchen Spielraum jemand im Rentenalter haben wird?

Ja, wir nennen das Budgetberatung. Es gibt ja regelmäßig Bescheide, mit welchen Rentenbeiträgen zu rechnen ist, welche Abzüge dazu kommen. Da kann man sich Gedanken machen, etwa wenn man privat krankenversichert ist. Kann ich den Tarif umstellen? Muss es die Luxusversorgung sein oder geht auch der Standardtarif? Darüber kann man mit der Versicherung sprechen. Oder: Bin ich doppelt oder dreifach gegen bestimmte Risiken versichert? Bei Mieterhöhungen kann man nachfragen, ob sie rechtmäßig sind oder zu hoch. Auch bei Telefontarifen lässt sich oft etwas machen.

Und wenn das Kind schon im Brunnen liegt?

Auch da lässt sich diese Ideensammlung anwenden. Jedes kleine Detail zählt, auch wie man heizt, ob das eigene Auto nötig ist oder Carsharing besser wäre. Wer Wohngeld bezieht, kann sich auch einen Nürnberg-Pass ausstellen lassen und dessen Sparangebote nutzen. Bei all dem können wir Tipps geben, aber kümmern müssen sich die Betroffenen dann schon selbst. Wir bieten keine Betreuung, das muss ich klar sagen. Wer sich mit dem Problem alleine fühlt, weil er oder sie Familie oder Freunde bisher nicht einbezogen hat, muss sich fragen, ob es doch besser wäre, sich bei einigen Fragen zu öffnen. Das macht vieles leichter.

Welche Rolle spielt die Grundsicherung?

Wer ein geringes Renteneinkommen hat, für den oder die ist es doch super, wenn sie die Bezüge bis zum Existenzminimum auffüllen können. Es ist toll, dass wir das haben. Es ist bürokratisch sehr umständlich, aber man muss sich einfach trauen. Grundsicherung ist ein Notnagel, wenn nichts mehr Anderes geht. Aber bevor man sie beansprucht, sollte man Wohngeld beantragen, das lohnt in der Regel immer. Dazu gibt es im Internet einen Wohngeldrechner der Bundesregierung und einen Grundsicherungsrechner des VdK. Man kann auch bei diesen Stellen anrufen. Aber auch wir helfen selbstverständlich weiter.

Interview: Herbert Fuehr
Foto: Wolfgang Gillitzer

Information

Die ISKA-Schuldner- und Insolvenzberatung befindet sich in der Unteren Krämersgasse 3 in Nürnberg. Sie berät kostenfrei in Nürnberg und im Kreis Nürnberger Land. Sie ist Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag jeweils von 9 Uhr bis 15 Uhr geöffnet und nach telefonischer Vereinbarung zu erreichen.

Projekt: Beratung im Alltag älterer Menschen

Mehr Hilfe für Seniorinnen und Senioren ist das Ziel eines Projekts des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, das Ressortchefin Steffi Lemke (Grüne) auf den Weg gebracht hatte. Es läuft bis 31. Dezember 2025 und ist mit über 1 370 000 Euro ausgestattet. Die Diakonie Deutschland hat dafür zusammen mit weiteren Wohlfahrtsverbänden ein Konzept entwickelt, wie Seniorinnen und Senioren besser geholfen werden kann, Schuldnerberatung in Anspruch zu nehmen. In zehn Standorten soll das praktisch erprobt werden, einer davon ist die Stadt Nürnberg sowie der Kreis Nürnberg-Land. Hier praktiziert das Institut für Kulturelle und Soziale Arbeit (ISKA) diesen neuen »aufsuchenden« Ansatz, also Beratung dorthin zu bringen, wo sich ältere Menschen in ihrem Alltag aufhalten.

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