Also sprach mein Hausarzt: »Die neue Apotheken Umschau lese ich immer sofort. Dann weiß ich, mit welchen Krankheiten die Patienten zu mir kommen.« Kluger Mann. Tatsächlich gehört es zum Leben, dass uns aus allen möglichen Richtungen gesagt wird, woran wir leiden könnten. Denn: Krankheit mag lästig sein, aber jeder Arztbesuch, jede Pille, jede Impfung, jeder Kuraufenthalt steigert das Bruttosozialprodukt.
Nehmen wir gewisse Fernsehzeitschriften. Diese bestehen aus einem kleinen redaktionellen Teil und dem von den Sendern festgelegten Programm. Schon deshalb richten sie sich an uns Ältere. Wir glauben ja noch, dass wir einen Film oder eine Show tatsächlich verpassen können. Die junge Generation streamt souverän. Sie weiß, dass man den Sonntagskrimi auch am Mittwoch zum Frühstück anschauen kann.
Aber was steht in solchen Heften? Was tun bei Gelenkschmerzen? Mit Hilfe welcher Pille kommt auch der 80-Jährige zu spontanem Sex? Was bekämpft Schmerzen besser als die Spalt-Tablette? Spalt Forte, logisch. Wie können Gesichtsrötungen beseitigt werden? Dank welcher Arznei schwitzt man 64 Prozent weniger? Welcher Trick stoppt Schwindelbeschwerden?
Unsere schon erwähnte Apotheken Umschau mischt da eifrig mit. Im Sommer erfahren wir, dass man in einem kühlen Raum besser schläft. Experten erklären die familiäre Hypercholesterinämie, erläutern, wie man ein Loch im Trommelfell therapieren und wie man Nierensteine zertrümmern kann, Diabetes kommt als Thema immer gut, Bluthochdruck und Gicht auch.
Wer sich aber auf dem Sofa von so viel Leid erholen möchte, wird im TV-Vorabendprogramm eingeladen, ein Pflaster für den Darm zu kaufen und dank Einschlafspray zuverlässig nachts dem Leid dieser Welt zu entfliehen. Schließlich ist da dieser Typ, der sagt: »Ich möchte mit Dir über Harnverlust reden.« Aber ich nicht mit Dir, Depp.
Seien wir ehrlich. Jeder Mensch hat seine Sollbruchstellen. Da geht es uns nicht besser als unserem Gefrierschrank oder unserer Waschmaschine. Wer ohne Beschwerden stirbt, ist entweder jung oder mit dem Teufel im Bunde. In der Bibel, dass wissen nicht nur die weniger werdenden organisierten Christen, wird nicht versprochen, dass wir immer fröhlich und leidensfrei leben. Ganz im Gegenteil. Der Sündenfall im Paradies war die ferne Geburtsstunde der Apotheken Umschau.
Und wir haben doch schon früher geforscht, ob sich hinter unseren aktuellen Beschwerden etwas Schlimmes verbergen könnte. »Gesundheit von A-Z« hieß eines dieser 1000-Seiten-Lexika. Wer unter K wie Kopfweh nachschaute, konnte erfahren, dass er nicht zwingend, jedoch möglicherweise nur noch acht Wochen zu leben hätte. Diese A-Z-Bücher gibt es auch heute noch in vielen Variationen.
Aber der größte Beipackzettel der Welt ist das Internet. Hier sind tatsächlich alle Krankheiten vertreten, die es gibt. Und noch ein paar eingebildete obendrauf. Wer hier geschickt nachgeschaut hat, wird seinem Arzt oder seiner Ärztin nur noch mitteilen, welche Medikamente zu verschreiben sind.
Ein Mediziner hat darauf mit einem Aushang an der Praxistür reagiert: »Wenn Sie Ihre Diagnose bei Google gefunden haben, holen Sie sich bitte die zweite Meinung nicht bei mir, sondern bei Yahoo.« Na denn.
Text: Klaus Schrage
Cartoon: Sebastian Haug