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Mit dem richtigen Rad im Alter sicher unterwegs

Radfahren kann man nie mehr verlernen? Stimmt leider nicht. Deshalb lohnt sich nach längerer Pause ein Trainingsangebot.

Sie sind mindestens 65 Jahre alt, fühlen sich zunehmend unsicher beim Fahrradfahren, möchten auf ein E-Bike umsteigen?« Mit dieser Frage wurden im vergangenen Frühjahr per Zeitungsinserat Frauen und Männer eingeladen, im Sommer an einem kostenlosen Sicherheitstraining teilzunehmen. Das war Teil des Projekts »Sicheres Fahrradfahren im Alter (SiFAr)« des Instituts für Biomedizin des Alterns (IBA) der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg. Über Erfahrungen und Ergebnisse sprachen wir mit Veronika Keppner. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am IBA und leitete zusammen mit ihrem Kollegen Sebastian Krumpoch die Projektkoordination und die Kurse, die übrigens im kommenden Sommer fortgesetzt werden sollen.

Frau Keppner, Sie haben im Sommer älteren Menschen Kurse im Radfahren gegeben. Wie war das Echo?

Unser Projekt läuft schon das zweite Jahr. Wir haben im vergangenen Jahr bereits erste Fahrradkurse angeboten und die Rückmeldungen waren überwiegend positiv. Die Teilnehmenden fühlen sich dank unserer Kurse sicherer beim Fahrradfahren.

Generell konnten wir anhand der Resonanz auf unsere Studie feststellen, dass es einen Bedarf an Fahrradkursen für Senioren gibt, die sich im Straßenverkehr unsicher fühlen und/oder auf ein E-Bike umgestiegen sind.

Es heißt ja immer, Radfahren könne man nie mehr verlernen. Stimmt das überhaupt?

Bedauerlicherweise ist dieses Sprichwort schon hinsichtlich des normalen, physiologischen Alterungsprozesses nicht korrekt. Mit zunehmendem Alter gehen natürliche Abbauprozesse in verschiedenen Körpersystemen einher, etwa der Muskulatur, der Wahrnehmung oder des Gleichgewichts. Diese Prozesse werden in der Regel noch durch Erkrankungen verstärkt und beschleunigt. Ab einem bestimmten biologischen Alter, das von Person zu Person variiert, gehen Fähigkeiten, die nicht regelmäßig zum Einsatz kommen, unwiederbringlich verloren. Das Credo in der Alterswissenschaft lautet dementsprechend »Use it or lose it«. Daher ist es gerade auch im fortgeschrittenen Alter wichtig, körperlich aktiv zu bleiben und sich ausreichend zu bewegen. 

Viele Bürger, auch ältere, sind wegen Corona vom Auto aufs Rad umgestiegen. Oft haben sie eine längere Radlerpause hinter sich. Spielt auch die Länge der Pause eine Rolle?

Je länger man nicht Fahrrad fährt, umso mehr verlieren sich die angesprochenen Automatismen, die eigentlich bei regelmäßigem Fahrradfahren erprobt werden, und auch alltägliche Situationen können so zur Herausforderung werden. Gerade nach einer längeren Pause steigt oft eine gewisse Unsicherheit mit auf das Fahrrad, vor allem, wenn zusätzlich noch ein neues und damit ungewohntes Fahrrad verwendet wird. 

Viele ältere Menschen steigen auf E-Bikes um oder erst mit einem E-Bike nach einer Pause wieder ein. Um wie viel höher ist da das Risiko?

Leider zeigen die Unfallzahlen des Statistischen Bundesamtes, dass Unfälle mit einem E-Bike oder Pedelec häufiger zu leichten und schweren Verletzungen führen. Über die Hälfte der getöteten Radfahrer in Deutschland waren 65 Jahre oder älter, bei den Pedelecfahrern waren 72 Prozent der im Straßenverkehr getöteten Radler über 65 Jahre alt. 

Wo liegen denn die größten Probleme? Ist es der Straßenverkehr an sich, sind es Faktoren wie Unsicherheit oder Angst?

Veronika Keppner schult Ältere auf dem Fahrrad.

Ein eindeutiges »größtes« Problem lässt sich nicht definieren, da hier viele Faktoren zusammenspielen. Die altersbedingten, individuellen Veränderungen haben genauso Einfluss wie der gesteigerte Verkehr, die oft nicht fahrradgerechte Infrastruktur oder auch die Eigenschaften eines Fahrrad- oder E-Bike-Modells. Neben dem schnelleren Tempo stellt für viele Menschen ja auch das zusätzliche Gewicht eines Pedelecs eine Herausforderung dar. 

Es ist somit oft ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren: Manchmal ist beispielsweise der traditionell gewählte Fahrrad­typ nicht mehr der richtige für die individuellen Vor­aussetzungen. So ist ein klassisches Herrenrad mit hohem Oberrohr im fortgeschrittenen Alter und den damit verbundenen Bewegungseinschränkungen nicht mehr die optimale Wahl. 

Sollten alle Umsteiger oder Anfänger vorsichtshalber einen Kurs machen?

Absoluten Anfängern auf dem Fahrrad würden wir immer die Teilnahme an einem Fahrradkurs für Beginner raten. Für Anfänger bieten verschiedene Radorganisationen Kurse an. Bei einem Umstieg ist ein Kurs sicherlich ratsam, wenn der Umgang mit dem neuen Modell ungewohnt ist und man sich mit dem neuen Fahrrad unsicher fühlt. 

Nicht alle können ja von Ihrem Angebot Gebrauch machen, oder?

An unserer Studie können Personen teilnehmen, die 65 Jahre und älter sind, sich zunehmend unsicher auf dem Fahrrad fühlen, nach einer längeren Pause wieder mit dem Fahrradfahren beginnen, oder auf ein E-Bike umgestiegen sind. 

Wie merkt man selbst, dass es mit dem Radeln nicht mehr so richtig klappt?

Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten häufig von Überforderung unter komplexeren Verkehrsbedingungen. So wird das Fahren an Hauptverkehrsstraßen als belastend empfunden. Auch die Unfallzahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen einen Anstieg der Unfälle von Senioren bei komplexen Verkehrssituationen, wie beispielsweise beim Linksabbiegen und bei Vorfahrtssituationen. Des Weiteren zeigen Neu- und Wiedereinsteiger anfangs oftmals erhebliche, konditionelle Defizite und auch Schwierigkeiten im Umgang mit dem Fahrrad. Somit können längere Strecken zu einer Herausforderung werden, da mit abnehmenden Kräften die Konzentration nicht mehr adäquat aufrechterhalten werden kann.

Bei Ihren Kursen stehen ja auch medizinische Aspekte im Vordergrund. Welche sind es?

Im Rahmen unserer Eingangs- und Abschluss-Assessments am Institut für Biomedizin des Alterns werden Screenings im Hinblick auf die körperliche Funktion und Kognition durchgeführt. Ergebnisse können wir allerdings erst nach Abschluss der Studie veröffentlichen.

Und wie sieht man schließlich, dass man »bestanden« hat und sich sicher auf den Straßen bewegen kann?

Generell gibt es keinen Nachweis des »Bestehens« in Form eines Zeugnisses. Den Teilnehmenden sollen im Rahmen des Kurses die eigenen Fähigkeiten, aber auch mögliche Defizite bezüglich ihrer Fahrfähigkeiten aufgezeigt und gleichzeitig geeignete Lösungsstrategien angeboten werden. Zudem werden zusätzlich sowohl sicherheitsrelevante Verhaltensweisen im Straßenverkehr als auch Verkehrsregeln im Kurs thematisiert.

Kann man »Hausaufgaben« machen, also gezielt üben?

Es ist sicherlich empfehlenswert, gezielt Bewegungsabläufe zu üben, die zur Steigerung der Sicherheit führen können, beispielsweise das Absteigen zu beiden Seiten oder eine abrupte Bremsung. Eine weitere Maßnahme kann es sein, die Gegebenheiten zu überprüfen, wie zum Beispiel die Fahrstrecken auf ihre Beschaffenheiten zu analysieren. Häufig gibt es eine Alternativroute, die deutlich verkehrsärmer ist. 

Gibt es auch Fälle, in denen Sie abraten, am Straßenverkehr teilzunehmen?

Sicherlich gibt es auch beim Fahrradfahren – ähnlich wie beim Autofahren – gesundheitliche Einschränkungen, mit denen man nicht mehr auf dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen sollte. Für viele gesundheitliche Probleme existieren aber auch Lösungen, die vielleicht im ersten Moment nicht in Betracht gezogen werden. Beispiele hierfür wären die Montage eines Rückspiegels, wenn ein Schulterblick nicht mehr möglich ist oder auch der Umstieg auf ein Dreirad, wenn es große Einschränkungen der Gleichgewichtsfähigkeit gibt. 

Interview: Herbert Fuehr
Fotos: Mile Cindric; privat

Anmeldung zum Kurs 

Für die nächsten Kurse bei der IBA – sie sind kostenlos – kann man sich vormerken lassen. Wann allerdings genau der nächste stattfinden wird, hängt von der Corona-Lage ab. Die Teilnehmer werden rechtzeitig verständigt. Eigenes Rad ist Bedingung. Man lernt es besser kennen, es wird begutachtet und auf den Benutzer eingestellt. Nach Erfahrungen des Instituts bekommen viele Ältere Probleme, wenn sie ein für sie nicht geeignetes Fahrrad haben. Anmeldung unter: veronika.keppner@fau.de oder (am besten vormittags) Telefon 0911/5302-96163.

Der kleine Unterschied

E-Bike und Pedelec werden im Sprachgebrauch und auch hier im Text synonym verwendet, obwohl es einen Unterschied gibt: Bei Pedelecs läuft (unabhängig von der Geschwindigkeit) der E-Motor nur, wenn man in die Pedale tritt, sie gelten als Fahrrad. Bei E-Bikes ist keine Pedal-Unterstützung nötig, sie sind Kleinkrafträder mit geringer Leistung und brauchen zumeist ein Nummernschild (=Versicherung).

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