Hello All, sie ist fort; für immer. Ausnahmezustand für mich. Routinefall im betreuten Wohnen. Unser tiefstes Beileid, hier Wohnungsschlüssel, Post, Kündigungsformular und Renovierungsarbeiten. Bitte die Wohnung bis Monatsende besenrein geräumt übergeben. Ich war kein Gast mehr beim monatlichen Besuch. Bei diesem letzten Besuch stand ich als Eindringling in der Wohnung. Uneingeladen, feindselig. Ihre Dinge warteten auf sie. Nur, sie wird nie wieder kommen; ihre Habe wird nie wieder funktionieren. Am Todestag ist das alles zum wertlosen Plunder verkommen. Ihre ausgetretenen Hausschuhe, der Fischsalat im Kühlschrank, ihr Lieblingsrock, das Kreuzworträtsel, die Lesezeichen in der Fernsehzeitschrift. Weg damit. Bücher, die ich aus meiner Kindheit noch kannte, die Teekanne der Großmutter, das vor 60 Jahren selbst mit Laubsäge ausgeschnittene Schlüsselbrett – unansehnlich, abgenutzt. Nur in ihrer Wohnung erträglich, peinlich an jedem anderem Ort: weg damit. Am zerfransten Teppich aus Marokko, den Vasen aus Menorca und der Truhe aus Extremadura hatte ihr Herz besonders gehangen. Mehr als ein Dutzend Umzüge haben sie überstanden. Das Zeugs passt nicht zu unserem Leben: weg damit. Bett, Couch, Fernsehsessel von der Katze zerkratzt: weg damit. Zwei kräftige Männer leerten die kleine Wohnung in einen Umzugswagen, Richtung Wertstoffhof, sprich Müllhalde. Ich verstaute zwei Umzugskartons mit Fotos und Familienkalender in mein Auto. Eher verschämt als aus Nostalgie. Die Kartons stehen nun im Keller. Der Tod löscht warmes Leben aus; das war mir klar. Der Tod entwertet kalte Gebrauchsgüter, macht aus Alltagstauglichem Schrott, aus wertvollen Erinnerungsstücken Abfall. Auch fort, auch für immer. Es stirbt ein Mensch; es sterben Sinn und Zweck seiner Dinge. Vielleicht noch ein Motiv für Grabbeigaben, ganz banal?
Ihr Global Oldie