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Wassergucken und Wasserwaten

vignette2012 Hello All, ich schaue gern auf Wasser; auf einen Bach, Fluss, See oder Meer. Aus der Nähe vom Ufer oder aus der Ferne von einem Berg; auf dem Wasser vom Kanu, SUP-Brett oder Schiff. Wahrscheinlich sind auch Sie gern mal am Wasser – so wie Milliarden Mitmenschen. Wasser fasziniert unsere Spezies; ganz besonders in der Jugend und später nochmals im Alter. Wieder so eine Situation, in der sich die Neigungen der zwei gegensätzlichen Generationen ähneln (siehe auch Blog zur Proxemik, 27.9.2013). Junge finden Freude am Wasserspritzen und Tollen im Wasser. Die Alten gewinnen innere Ruhe und Erleichterung beim Waten. Nicht erst seit Pfarrer Kneipp. Nicht nur in Deutschland. Wasserrutschen, Spritzpistolen, Badeinseln für die einen, für die anderen zum Wasser ausgerichtete Ruhebänke und Spazierwege entlang der Ufer finden sich überall auf der Welt, von Qing Dao bis Lissabon, Usedom bis Vancouver. Was macht den speziellen Reiz von Venedig, Hong Kong oder Sidney aus? Eine jeweils besonders geglückte Verschränkung aus urbanem Alltagsleben mit öffentlichen Gewässern.
Was das mit dem Glucksen, Glänzen, Schaukeln und Seeluft für uns Menschen so Anziehendes auf sich hat, meinen nun einige Anthropologen* enträtselt zu haben. Nicht in der Savanne, sondern an den Ufern von Sümpfen, Seen und Flüssen Ostafrikas standen die eher feuchten Wiegen der Menschheit, vor vier Millionen Jahren. Jetzt ergibt vieles neuen Sinn: Müde Beine am Abend oder im Alter? Typisch für die Beine jener Wesen, die ursprünglich stundenlang durchs Flachwasser wateten, Tag für Tag; und denen auf dem Trockenen einfach der Wasserdruck von außen fehlt. Durchs Wasser Gehen statt Stützstrümpfe, liebe Freunde! Waten ist des Homo Sapiens ursprüngliche Berufung, anstatt des Joggens – mir war das bei meinen kläglichen Joggingversuchen sofort plausibel. Von wegen Savanne…
Noch mehr wissenschaftliche Beweise zu unserem wassernahen Ursprung gefällig? Omega 3 Fettsäuren sind ein wahres Labsal für unsere Körper (und Apotheken) – jene Bestandteile finden sich in ufernah fangbaren Fischen; deshalb lechzt unser Stoffwechsel danach, bis heute. Unser Gebiss ist evolutionsbiologische Maßarbeit zum Knacken von Muscheln und Krebsen. Jetzt wird mir auch klar, was die vielen Rentner im Nordseewattenmeer suchen: Unsere Vergangenheit im Schlick. Unseren aufrechten Gang (in den besseren Jahren) schulden wir also nicht nur dem Hangeln an Ästen im Urwald und späteren Halteschlaufen in Straßenbahnen, sondern dem überlebensnotwendigen Überblick über Tümpel und Sümpfe. Klar, das geht von weiter oben auf zwei Beinen besser als auf allen Vieren. „Wir sind geborene Wassergucker“ stellt Prof. Niemetz fest. Jetzt verstehen wir noch besser jene Bildgestalten und deren Blickrichtung auf Casper David Friedrichs Ufergemälden!
Falls Sie, werte Freunde, mal mit dem Gedanken liebäugeln, Wochen oder gar Jahre an milderen Gestaden wie Kanarische Inseln, Florida oder auch Mecklenburg-Vorpommern-Seen zu verbringen, dann hören Sie nur die prähistorisch vererbte Stimme aus dem tiefsten Inneren der Gene. Es wäre sicher ungesund, sich im Alter gegen die Natur zu stemmen; also, los an und in das Knietiefe!
Ihr Global Oldie
*u.a. Prof. Carsten Niemetz, FU Berlin oder Martin Traut, Max Planck Institut Potsdam, die dem Hominiden Ardipithecus Ramidus vor 4 Mio. Jahren ein Uferleben in der Afargegend des heutigen Äthiopien und tragende Verwandtschaft mit uns bescheinigen.

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