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Wer muss zahlen, wenn die Eltern pflegebedürftig sind?

Wird ein Elternteil zum Pflegefall, belastet dies die Kinder nicht nur psychisch, sondern möglicherweise auch finanziell. Und auch für viele betroffenen Senioren ist die Vorstellung unerträglich, dass die eigenen Kinder für die Heimunterbringung herangezo-gen werden könnten. Doch die Sorge vor erheblichen Unterhaltsverpflichtungen, für die das Einkommen womöglich gar nicht ausreicht, ist unbegründet, wie Norbert Hahn, Leiter des Bereichs für Hilfen in Alten- und Pflegeheimen beim Bezirk Mittelfranken, weiß.

Norbert Hahn, Mitarbeiter im Sozialreferat des Bezirks Mittelfranken.
Norbert Hahn, Mitarbeiter im Sozialreferat des Bezirks Mittelfranken.

sechzig: Heimunterbringung ist teuer, rund 3000 Euro kostet ein Platz pro Monat. Können sich das die Menschen heute überhaupt leisten?
Norbert Hahn: Tatsächlich bezahlen in Mittelfranken drei Viertel aller Pflegebedürftigen ihre Heimunterbringung aus eigenen Mitteln. Rente, die Leistung aus der Pflegeversicherung und eigenes Vermögen reichen dafür aus. Nur bei rund 5000 der insgesamt etwa 20.000 Pflegeplätze in Mittelfranken müssen wir als Bezirk mit Sozialhilfe unterstützen.
Wer bekommt denn Sozialhilfe, um seinen Heimaufenthalt zu bestreiten?
Jeder, dessen eigene Mittel nicht ausreichen. Das ist aber erst dann der Fall, wenn Einkommen, Vermögen, vertragliche Ansprüche und Schenkungsrückforderungen bereits aufgezehrt sind und dann eben immer noch ein Betrag offen bleibt. Jeder Betroffene muss zunächst sein Einkommen und Vermögen oberhalb bestimmter Freigrenzen einsetzen; beim Vermögen sind das bei Alleinstehenden 2600 Euro, bei Verheirateten 3214 Euro.
Was sind denn vertragliche Ansprüche und Schenkungsrückforderungen?
Vertragliche Ansprüche sind so etwas wie Wohnrecht oder Verköstigung. Sie stammen oftmals aus vorausgegangenen Übergaben etwa eines Bauernhofes. In dem Moment, in dem aber der Begünstigte in einem Heim untergebracht wird, kann er diese Ansprüche ja nicht mehr wahrnehmen. Diejenigen, die ihm die betreffenden Rechte eingeräumt haben, müssen sie dann in Geld erstatten.
Und auch Schenkungen müssen zurückgegeben werden?
Ja, und das kommt sogar sehr oft vor. Sofern sie noch nicht länger als zehn Jahre zurückliegen, sieht das Gesetz das genau so vor. Sind also vor zwei Jahren 20.000 Euro an den Enkel geflossen und muss der Opa heute ins Heim und sein Einkommen und Vermögen decken die Kosten nicht, dann muss der Enkel das Geld zurückzahlen, ehe Sozialhilfe gewährt werden kann.
Das klingt nach praktischen Problemen… Wie sieht es denn aus, wenn Beschenkte nicht freiwillig zurückzahlen, und gibt es keine Bagatellgrenze?
Ein genauer Betrag ist nicht festgelegt, in der Regel sind es aber vierstellige Beträge, bei denen wir verlangen, dass sie zurückgefordert werden, ehe wir Sozialhilfe gewähren. Regelmäßige Zahlungen aus dem Einkommen, also etwa der Rente, zum Beispiel in Höhe von 50 Euro, sind im Übrigen keine Schenkungen. Weil wir wissen, dass die betroffenen Pflegebedürftigen häufig mit der Rückforderung ihrer Geldgeschenke überfordert sind, leiten wir den Rückzahlungsanspruch auf den Bezirk über, der die Gelder dann beitreibt.
Über die Rückgabe der geschenkten 20.000 Euro hinaus wäre der Enkel aber nicht unterhaltspflichtig, oder?
Genau, das Sozialrecht sieht anders als das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass allein Kinder, Eltern und Ehegatten – auch geschiedene – unterhaltspflichtig sind, nicht aber Enkel oder Großeltern.
Wann müssen Kinder dann bezahlen?
Wenn Einkommen, Vermögen, vertragliche Ansprüche und Schenkungsrückforderungen nicht ausreichen, zahlen wir Sozialhilfe. Verfügen die Kinder nun über ein entsprechendes Einkommen oder Vermögen, greifen wir auf sie zurück, weil der Unterhaltsanspruch, den der Pflegebedürftige gegenüber seinen Kindern hat, auf uns übergeht.
Das klingt kompliziert…
Tatsächlich bezahlen nur bei sieben Prozent der 5000 Pflegebedürftigen, die wir unterstützen, die Söhne und Töchter tatsächlich etwas. Denn die Einkommens- und Vermögensgrenzen sind sehr hoch. So darf ein Ehepaar ohne Kinder erst einmal 2880 Euro netto von seinem Einkommen behalten, ehe es verpflichtet ist, etwas für die eigenen Eltern zu bezahlen.
Daneben gibt es ein Schonvermögen für die Sicherung der eigenen Altersvorsorge in sechsstelliger Höhe – abhängig vom Einkommen. Bei 2500 Euro brutto sind dies bereits über 100.000 Euro, bei höherem Einkommen deutlich mehr. Eine Immobilie, die selbst bewohnt wird, darf zudem besessen werden, ohne dass dies das Schonvermögen schmälert.
Also müssen tatsächlich nur die Wohlsituierten für ihre Eltern aufkommen?
Nehmen Sie dieses Beispiel: Wer als Verheirateter ohne minderjährige Kinder 5400 Euro brutto verdient, muss 88 Euro pro Monat aus seinem Einkommen für die Heimunterbringung beisteuern. Er hat zudem ein Schonvermögen von 250.000 Euro allein für die Altersvorsorge, von dem er nichts abzugeben braucht.
Selbst durchschauen kann das Gesetz aber vermutlich kaum jemand…
Ich kann nur jedem empfehlen, sich beraten zu lassen, sofern eine Heimunterbringung ansteht. Wir haben heute kaum einen Antrag, bei dem nicht irgendein Problem auftauchen würde.
 
Interview: Alexandra Buba
Foto: Mile Cindric

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