Asiatisch muten sie an, manchmal auch afrikanisch, mitunter erinnern sie an Werke von Gustav Klimt oder Henri de ToulouseLautrec, immer sind sie üppig, voller Lebensfreude – die Frauenbüsten der Künstlerin Sigrid Frey aus Igensdorf im Landkreis Forchheim. Ein Werkstattbesuch.
Nur wenige Schritte muss man gehen, gleich hinter dem Tor wird einem klar: Hier lebt eine Künstlerin. Skulpturen empfangen den Besucher im Garten, der sich wohl am ehesten mit den Worten umschreiben lässt: »gezähmter Wildwuchs«, eine Oase, der der Regen noch zusätzliche Romantik verleiht. Bunte Säulen und Büsten aus Keramik stehen hier, daneben bronzene Skulpturen. Sie stammen von ihrem verstorbenen Mann – dem Künstler Harro Frey. Sie waren ein Paar, seit sie sich Anfang der 1960er Jahre trafen – bis zu seinem Tod 2011. Es war eine Beziehung par excellence, die wohl viele Klischees einer Künstlerehe bediente, darunter wohl auch jenes des erfolgreicheren Mannes. Dabei starten beide gemeinsam – auf der Höheren Fachschule für Keramik in Nürnberg, wo sie sich kennenlernen. »Eigentlich bin ich eher so reingerutscht«, erzählt die 77-Jährige mit einem Lachen. »Ich wollte Grafikerin werden und bin dann bei einem Vorbereitungskurs bei der Keramik hängengeblieben.« Ob es tatsächlich nur Zufall war? Schon ihr Großvater war Bildhauer, lernte an der Kunstschule Nürnberg.
Auch ihr Vater malte gerne – so wie sie selbst als Kind. Was heute nicht ungewöhnlich ist, galt damals als exotischer Beruf. »Der Boom kam erst zehn Jahre später, in den 70ern.« Ihre erste berufliche Station nach der dreijährigen Ausbildung führt sie an den malerischen Kochelsee – zu den Werkstätten Brey. Eine wichtige Station. »Hier habe ich das Drehen erst so richtig gelernt.« Und Sigrid Frey dreht viel. Schließlich ist der Zweite Weltkrieg noch nicht lange vorbei, die Menschen sind damit beschäftigt, Zerstörtes zu ersetzen. Die steigenden Einkommen zu Beginn der Wirtschaftswunderjahre lassen das endlich zu. Das befeuert auch die Nachfrage nach Geschirr, das damals noch zumeist in Handarbeit »made in Germany« entsteht. 20 Vasen am Stück Sigrid Frey ist damals noch keine 30 Jahre alt und lernt, »in Serie« zu drehen: »20 Vasen am Stück in der gleichen Form«. Oder ein Speise- oder Kaffeeservice. Akkordarbeit, doch sie sagt: »Es war aber eine schöne Zeit. Ich hatte dort Familienanschluss.
Am Wochenende sind wir morgens um drei Uhr aufgestanden, um zusammen in die Berge zu gehen.« Ihr Weg zurück in die Region führt über das schweizerische St. Prex nach Burgthann, zu Wilhelm und Elly Kuch, zum damaligen Zeitpunkt schon bekannte Keramikkünstler. »In meiner Zeit fingen die kleineren Werkstätten an, auch künstlerisch zu arbeiten und Einzelstücke herzustellen.« Für einige Namhafte werden heute, etwa beim Internetauktionshaus Ebay, satte Preise aufgerufen. Zu den Künsten gehören auch und vor allem die Glasuren. Die Grundlagen für den richtigen Umgang damit lernte Sigrid Frey an der Schule im Chemieunterricht. Sie muss schließlich wissen, welche Stoffe nur niedriggebrannt werden dürfen und auch, wie die Gefäße später verwendet werden sollen. Denn niedriggebrannte Elemente wie Blei können sich lösen, wenn sie mit Säure aus Salatdressing oder Wein in Berührung kommen. Die Arbeit hier gibt auch ihr – inzwischen Gesellin – die Möglichkeit, sich auszuprobieren, vor allem gemeinsam mit Wilhelm Kuch.
»Als er erstmals eine Tropfenglasur machte, die an der Keramik herunterlief, dachten viele Mitarbeiter, das ist fehlerhaft«, amüsiert sie sich im Rückblick. Ein Ausweg zur rechten Zeit Harro Frey studiert derweil noch an der Nürnberger Kunstschule. Viel Geld steht nicht zur Verfügung. Da wird Sigrid schwanger; die junge Familie mit dem kleinen Saschko lebt zunächst bei Sigrids Mutter. »Ich habe feste gespart. Mein Chef in Kochel hatte mir noch zu einem günstigen Brennofen verholfen. Harro arbeitete in den Semesterferien in Arzberg und in München, um Geld zu verdienen.« Schließlich zieht das Paar nach Weißenohe, wo ihre Familie ein kleines Wochenend-Häuschen besitzt. »Ich habe gedreht, mein Mann hat Formen und Glasuren gemacht.« Irgendwann passiert es – das Geld ist aus. Doch es tut sich ein Ausweg auf. Just zu diesem Zeitpunkt fragt die Gemeinde Weißenohe das Paar an, ein Fries für die neue Mehrzweckhalle zu gestalten. »Erfolg – gerade als Künstler – ist auch immer ein Stück weit Glückssache«, so Freys Resümee. Und die junge Familie hat noch einmal Glück, als sie das kleine Haus gut verkaufen kann, um von dem Geld ein größeres Bauernhaus in Igensdorf im Ortsteil Pettensiedel zu erwerben.
Die Freys bauen den Stall zu Werkstatt und Ausstellungsräumen um, fügen beides mit dem Wohnhaus zusammen. Hier werden fortan Harro Freys Bronzeskulpturen entstehen, mit denen er weit über die Region hinaus Bekanntheit erlangt. Sigrid Frey arbeitet währenddessen weiter an Gefäßkeramik oder an Keramiksäulen für die Landesgartenschau in Bayreuth. Kunst, Musik, Bratwurst Die Großzügigkeit des Anwesens, die Verbindung von Ländlichem und Kunst, aber auch die verschiedenen Kunststile des Paares – es ist wie gemacht für eine eigene Ausstellung. »Es war nicht so wie heute, wo es überall Galerien gibt. Auf dem Land gab es keine, in Nürnberg und Erlangen nur ein paar wenige. Also haben wir hier unsere eigene Ausstellung gemacht.« So wird auch Heinz Meier auf die Freys aufmerksam, der Mitte der 70er Jahre gerade seine »Galerie mit der Blauen Tür« eröffnet – in Erlangen. Zusammen veranstalten sie eine gemeinsame Ausstellung in Pettensiedel mit Musik, Bratwürsten und Bier, das in selbstgedrehten Krügen ausgeschenkt wird. »Diese Kombination von allem war damals etwas ganz Neues, auch deshalb, weil Galerien immer etwas Elitäres anhaftete. Wir wollten den Menschen mit unserer Art die Hemmungen nehmen, eine Galerie zu betreten.«
Das Experiment glückte. Noch heute veranstaltet Sigrid Frey gemeinsam mit Heinz Meier Ausstellungen in Pettensiedel, aktuell eine mit der Künstlerin Christine Nikol. Natürlich wären Haus und Hof dazu angetan, noch mehr Leben aufs Land zu holen. »Das schaffe ich aber nicht mehr, es ist viel Arbeit«, sagt Frey. Die investiert sie in ihre Skulpturen, zu deren Besonderheiten gehört, dass sie in Teilen auf der Scheibe gedreht sind, dann zusammengefügt werden. »Nachdem ich – mit einem kleinen Kind zu Hause – nicht auch auf die Kunstschule gehen konnte, wurde mein Mann gewissermaßen mein Lehrer.« Durchaus inspirierend, aber nicht immer einfach. Denn so schön es ist, einen Menschen an seiner Seite zu wissen, der die Freude an Kunst mit einem teilt, so schwierig kann es auch sein, sich auf seinem eigenen Weg nicht beirren zu lassen. Wie nah Freud und Leid beieinander liegen, erfährt sie 2011, als sie den Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten gewinnt.
Harro Frey stirbt im gleichen Jahr. »Der Tod meines Mannes war ein Schock, die Zeit danach hart«, erzählt Sigrid Frey. »Aber ich lernte mich dadurch noch einmal neu kennen, lernte, dass ich viele Dinge konnte, die ich vorher gerne meinem Mann überlassen hatte – wie die Finanzen.« Sie stellt weiterhin aus, ist in diversen Kunstvereinen aktiv. Und sie lernt, dass es die Keramikbüsten sind, aus Feinsteinzeug, mit alten Fayence-Techniken bemalt, deren Erschaffung ihr Herz gehört. »Seitdem mache ich nichts anderes mehr.« Rund einen Monat braucht sie, um eine fertigzustellen. Der Verkauf ihrer Skulpturen, aber auch früher hergestellter Gefäßkeramik sowie Bronzen von Harro Frey machen es ihr möglich, sich ihre Oase – ihr kreatives Zentrum, in der alles von der Liebe zu Kunst und Keramik kündet – zu erhalten.
ANJA KUMMEROW, FOTOS: MILE CINDRIC
INFORMATION Werkstatt Frey Klingerweg 2 in Igensdorf Di – Do 10 –18 Uhr, Sa 11 –17 Uhr, So/Feiertag 11 –13 Uhr