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Wer wird im KOMM künftig heimisch sein?

Der neue Festsaal. Durch die neue Raumhöhe kann man gut erkennen, dass sich unterm Dach viel getan hat für Belüftung und technische Optimierung.

Das KOMM. Wer immer in Nürnberg und der Region gewachsen, alt geworden, jung geblieben ist, hat eine Haltung zu dem Gebäude gegenüber des Königstorturms. Vielleicht findet er ja nur den Glaskubus als architektonisches Experiment am Eingang zur Stadt abscheulich oder wunderbar. Aber wahrscheinlich werden ganz andere Emotionen freigesetzt. Man hat dort Jugendzeit verbracht oder hätte es nie betreten. Vielleicht war man auch halbwegs neutraler Besucher bei einem Konzert, einer Theateraufführung, im Kino. Eine Haltung gab es trotzdem: konservativ dagegen, linksliberal dafür, radikal-aktiv in einer KOMM-Gruppe, bei der Gestaltung von Räumen oder wenigstens beim Handaufheben in der Vollversammlung. Jeder konnte, jeder durfte. Es gab seit 1974 Selbstverwaltung, bis das Experiment 1997 beendet wurde. Dann kam es zu Überschreibungen des Namens: K4, Künstlerhaus im Kunstkulturquartier. Half alles nichts. Das KOMM(unikationszentrum) bleibt das KOMM bleibt das KOMM.

Auch wenn es eine gigantische Baustelle ist, als wir es im Juli besuchen. Aus den Decken hängen Kabel, in den Wänden zeigen sich Rohre in unverschämter Nacktheit, der Boden ist voller Stolperfallen, und die Gänge sind zugestellt mit Leitern, auf denen fleißig und lärmend gearbeitet wird. Das geht jetzt schon seit 2019 so. Und es sah alles noch viel schlimmer aus, versichert uns Anna Schwarm, die Leiterin des Künstlerhauses. Sie führt uns durch das Labyrinth. Wenn die aktuelle Nummer des Magazins sechs+sechzig erscheint, werden die meisten Räume wieder geöffnet sein. Der Betrieb im KOMM wird anlaufen. Die Verleihung des Menschenrechtsfilmpreises am 24. September ist ein Zieldatum. Das erste Großereignis im neuen Festsaal.

Manches erkennt man wieder

Künftig erreicht man den »Quartier- Garten« (ehemals Kultur- Garten) bequem und barrierefrei über eine Brücke.
Das sogenannte »Foyer Künstlerhaus« empfängt künftig als neuer Haupteingang alle Besucherinnen und Besucher des Künstlerhauses und verteilt sie weiter in Kunsthaus, Filmhaus, Clubzone, Gastronomie, Werkbund und die Veranstaltungsräume.

Der wird deutlich höher sein, als wir ihn in Erinnerung haben. Aber wir werden ihn wiedererkennen. Die schöne Vertäfelung wird frisch leuchten, die Bühne voller Technik wird um 180 Grad gedreht sein. Der Eingang liegt nicht mehr im Treppenhaus, sondern in einem bewirtschafteten Foyer, dort wo das KOMM-Kino seine anarchischen Gruselstreifen zeigte, bevor es eine eigene moderne Abspielstätte bekam. Gediegen? Vielleicht wird eher an die Stimmung der Bälle angeknüpft, die Nürnbergs Künstler dort seit Eröffnung »ihres« Hauses im Jahr 1910 feierten, als an das Brodeln bei einer Versammlung von Hausbesetzern oder bei einem Punk-Konzert, wie es zu den Hochzeiten des KOMM in manchen Nächten dröhnte. Aber tatsächlich ist die Institution ja schon lange gezähmt. Aus vielen Anarchos sind eben »gediegene« Senioren geworden. Und die Jugend kann weiterhin im neuen Clubraum tanzen. Er ist tief in das Fundament des Künstlerhauses versenkt. »Hier kann man viel Lärm machen«, sagt Anna Schwarm. Auch im Rohzustand bei unserem Besuch strahlt der Ort schon Atmosphäre aus. Ein etwas stilleres Konzert möchte ich dort durchaus genießen.

Wenn man aus den Kellerräumen heraufsteigt in den Biergarten zwischen KOMM und Kunsthalle, kann man an den Fassaden die architektonische Geschichte des Gebäudes prägnant studieren (geht selbstverständlich auch bei Bier und Jazz). Jetzt führen rollstuhl- und rollatorgerechte Rampen hinauf zum neu gestalteten Eingangsbereich. Der Beton, aus dem sie gebaut sind, ist in Sandsteinfärbung angepasst an den geschwungenen Post-Renaissance-Stil des alten Künstlerhauses, setzt ihm aber einen kantigen Akzent entgegen. Als wir da sind, steht ein grelles Grafitto herum. Es ist während des so genannten 3. Bauabschnitts der Generalsanierung von einer Wand des KOMM abgenommen und gerettet worden. Denn die Historie dieser wichtigen kulturellen und sozialen Einrichtung in Nürnberg soll ja nicht ganz verschwinden.

Parolen und Selbstermutigungen

Sie ist uns bei unserer Baustellen-Wanderung immer wieder begegnet. Außer Grafitti, die als künstlerische Zeitzeugen erhalten wurden, sind noch vertraute Parolen und Selbstermutigungen zu entdecken: »Saufen bis zum Kommunismus«, »Fuck the Police!«. Auch Drohungen aus der Nazi-Zeit erscheinen als Menetekel an der Wand: »Gerüchte verbreiten ist Landesverrat«. Der Geist des KOMM hat verschiedene Erscheinungsformen. Er ist durch die Sanierung nicht vertrieben worden. Und Anna Schwarm ist davon überzeugt, dass er von den Kreativen neuer Generationen weiter gefüttert wird. Die per Sanierung sauberen Wände der Toiletten laden geradezu ein zur Neuaufnahme ästhetischer Betätigung.

Man wird sie fast alle wiederfinden, die mythischen Orte des KOMM, verschoben manche, verändert, herausgeputzt, aber sie sind da: das Café Kaya, die Werkstätten, das Chaihaus, das Hinterzimmer. Die Hauptgastronomie ist als »Quartierküche« nur wenig verlagert. Und das Eingangsfoyer, das man jetzt vom Königstorgraben betritt, macht etwas her. Aber dahinter öffnet sich gleich das berühmte Treppenhaus, auf dem so viele Begegnungen stattfanden, Beziehungen begannen oder zerbrachen und Drogenträume vorüberschwebten. Ich glaube, dort wird der Geist des KOMM bald wieder spuken. Er hat sich jetzt nur vor dem Baulärm versteckt.

Text: Herbert Heinzelmann
Fotos: Michael Matejka (6)

Aus der Geschichte des KOMM: Eine 30-minütige Dokumentation der Medien­werkstatt Franken über das KOMM und die Massenverhaftung 1981 gibt es auf www.medienwerkstatt-franken.de/video/die-komm-massenverhaftung

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