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Talentschmiede für Spätberufene

Lebenslanges Lernen« – dieses Stichwort zieht sich wie ein roter Faden durch Gespräche mit Professor Uli Rothfuss, dem Rektor der Akademie Faber-Castell in Stein bei Nürnberg. Der umtriebige Leiter dieser vom weltweit agierenden Schreibgerätehersteller getragenen Bildungseinrichtung hat deren früheres Profil tüchtig umgekrempelt.
RESSORT:  sechs+sechzig DATUM:      16.12.15 FOTO:         Michael Matejka  MOTIV:  Faber-Castell Akademierektor Prof. Uli Rothfuss ANZAHL:    1 von 6 "Veröffentlichung nur nach vorheriger Vereinbarung"
Prof. Uli Rothfuss leitet die Akademie in Stein bei Nürnberg.

Bereits seit dem Jahr 2007 können die Studierenden auf zwei Etagen mit etwa 2.500 Quadratmeter Atelierfläche in der so genannten Alten Mine in Stein ihrer Kreativität freien Lauf lassen und dabei mittlerweile auch noch einen staatlich anerkannten Hochschulabschluss erwerben. Wer in reifen Jahren sein Schreib-Talent entdeckt oder sein Faible fürs Malen, der ist hier aber ebenfalls richtig: Die Akademie Faber-Castell, die gerade den Tod des Chefs Anton-Wolfgang von Faber-Castell verkraften musste, bringt auch Älteren den letzten Schliff bei.

»Die Akademie soll Menschen mit kreativer Begabung die Möglichkeit geben, sich gestalterisch weiterzubilden. Der Fokus der Ausbildung liegt auf der Förderung von Persönlichkeit und Kreativität jedes Einzelnen. Deshalb ist für eine Zulassung zu Studium und Ausbildung nicht in erster Linie der Schulabschluss relevant, sondern die jeweilige gestalterische Begabung«, heißt es dazu in den Hausprospekten. Und so richtet sich das Angebot der Akademie auch an Menschen, die ihren beruflichen Mittelpunkt bereits gefunden haben und nun – mit Blick auf den Ruhestand – ihrer kreativen Seite mehr Platz im Leben einräumen möchten.

Das geht unter anderem mit einem fundierten Kunststudium. »Da ist zum Beispiel der kulturaffine Arzt, dessen berufliche Situation mittlerweile mehr Freiräume erlaubt, die Rentnerin, die zusammen mit ihrer Enkelin einen Einzelkurs besucht oder der 63-jährige Banker, der seine Liebe zur bildenden Kunst mit Fachwissen ergänzen möchte«, erläutert Rothfuss.

Ganz billig ist der Spaß freilich nicht. Die Studiengebühren betragen je nach Fachrichtung 350 bis 380 Euro pro Monat. Hinzu kommen Anmelde- und Prüfungsgebühren.

Mittlerweile macht der Anteil der älteren Menschen in den Kunstkursen ein Drittel der Teilnehmer aus. Und diese »Aktivsenioren« kennen keine Berührungsängste mit ihren jüngeren Kommilitonen. Im Gegenteil. In den Seminaren herrsche eine muntere und ansteckende Atmosphäre, versichert der Rektor. Oft seien es sogar die Jüngeren, die sich zur Decke strecken müssten, um mit den Älteren mitzuhalten. »Da trifft Jugend auf Lebenserfahrung, und davon profitieren beide Seiten, künstlerisches Tun ist schließlich alterslos«, sagt Rothfuss.

Das kann Dagmar Laffert nur bestätigen. Gerade 67 Jahre alt geworden, hat sie im vergangenen Jahr ihr viereinhalbjähriges, berufsbegleitendes Studium mit dem Titel »Bildende Künstlerin Akademie Faber-Castell« abgeschlossen und stellt zusammenfassend euphorisch fest, dass ihr diese Zeit einen »Riesenspaß« gemacht hat.

Dabei fing alles ganz zufällig an. Erst nach Abschluss ihrer beruflichen Tätigkeit als technische Zeichnerin und nachdem die Hausfrauenpflichten keinen so großen Raum mehr einnahmen, hat sie sich überlegt, ihrer kreativen Ader mehr Raum zu geben. Es folgten Volkshochschulkurse in ihrem Heimatort Ingolstadt mit dem Schwerpunkt Zeichnen und Acrylmalerei und die Teilnahme an den Sommerakademien in Neuburg an der Donau. Dort hörte sie zum ersten Mal vom Steiner Angebot. Dass es dort nicht aufs Alter oder den Schulabschluss ankam, hat sie besonders angesprochen, und nach dem Besuch eines Informationstages stand ihr Studienwunsch fest.

Die Angebote aus den Bereichen Farblehre, Zeichnen und Kunstgeschichte hat sie mit Freude angenommen. »Es war für mich eine große Erfahrung, hier weiterzukommen, und das Studium war reines Vergnügen«, berichtet die Ingolstädterin. »Ich war ja nicht gerade die Mutigste und habe für mich absolutes Neuland betreten.« Aber der Kontakt zu ihren Mitstudenten, das Arbeiten auf hohem Niveau und die kreative Atmosphäre hätten einfach gestimmt. Und so ist es jetzt für Dagmar Laffert kein mutiger Schritt mehr, dass sie jetzt auch noch das zweijährige Aufbaustudium beginnt. Schließlich stellte sich neben ihrer persönlichen Weiterentwicklung noch ein weiterer Erfolg ein: Ein Großteil ihrer Werke hat bereits Käufer gefunden.

Aber nicht nur für die Bildende Kunst werden ausbildungs- und berufsbegleitende Studiengänge angeboten. Ziemlich neu im Portfolio ist der Bereich »Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus«. Dort kann man sich zum Beispiel auf den Beruf des Schriftstellers oder Kulturredakteurs vorbereiten, oder lernen, die eigene Lebensgeschichte professionell aufzuarbeiten. Denn für so ein biografisches Schreiben ist die Unterstützung eines fachkundigen Mentors sehr wichtig. Denn es geht um die Frage: Wie werde ich Herr meines Materials, das ich seit Jahrzehnten angesammelt habe? Wie kann ich mein literarisches Projekt zur Aufführungsreife bringen?

In Bayern betritt die Akademie damit Neuland. Bisher haben nur das deutsche Literaturinstitut in Leipzig und die Hochschule Hildesheim vergleichbare Studiengänge im Angebot. Und so hofft Rektor Rothfuss, dass er hier auch Menschen mit einer gewissen Lebenserfahrung ansprechen kann, die schreibend weiterkommen möchten. Die Palette reicht vom Erlernen des Umgangs mit den Medien, Handreichungen für die Organisation von Lesungen bis hin zu Rhetorik und Urheberrechtsfragen. Aber auch in den Bereichen Prosa, Lyrik und szenisches Schreiben kann man sein Wissen während der sechssemestrigen Regelstudienzeit vertiefen. Aufgenommen werden Bewerber, deren literarische Begabung in einem Eignungstest festgestellt wurde. Dazu kann man auch ein einsemestriges Vorstudium absolvieren.
Karin Jungkunz; Fotos: Michael Matejka

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