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Von früh bis spät auf Achse

Laut Branchenverband beträgt der Anteil der sich im Ruhestand befindlichen Busreisenden 53,5 Prozent. Die Familie Damerow weiß das und setzt noch eins drauf: den persönlichen Kontakt. Die Chefin hat die Nummern vieler Kunden im Kopf und oft erkennt sie jemanden allein an der Stimme.
Familie Damerow von links nach rechts: Elke, Thomas, Andreas, Maria und Stefanie Damerow, vorne die Enkelkinder Alicia und Maximilian im Betriebshof von Omnibus Damerow in Baiersdorf. foto: Cindric
Familie Damerow von links nach rechts: Elke, Thomas, Andreas, Maria und Stefanie Damerow, vorne die Enkelkinder Alicia und Maximilian im Betriebshof von Omnibus Damerow in Baiersdorf. foto: Cindric

So hektisch hätt’ ich’s mir nicht vorgestellt«, bekennt Maria Damerow aus Forchheim. »Wir sind eigentlich rund um die Uhr fürs Geschäft da! Ich arbeite mindestens 14 Stunden am Tag. Es gibt, bis auf wenige Ausnahmen, auch kein Wochenende. Also, man muss es gern machen, sonst … «

Der Rest bleibt offen. Für die Oberfränkin ist alles gesagt. Zeit hat die Chefin von »Omnibus Damerow« nämlich keine. Morgens ist die 66-Jährige schon um halb sechs Uhr auf den Beinen, eine halbe Stunde später geht sie auf Linienfahrt. Von Forchheim über Erlangen nach Weisendorf. »Ich fahre seit 13 Jahren Schulbus, immer dieselbe Linie. Und ich habe ganz liebe Kinder!«, erzählt sie. Außerdem schwärmt sie, wie leidenschaftlich gerne sie mit dem 18-sitzigen Kleinbus durch die Gegend kurvt.

Gegen halb neun kehrt Maria Damerow von ihrer Tour zurück, dann beginnt die Büroarbeit. Die Telefone klingeln unaufhörlich. Sie muss die Anrufe managen. Ihr Sohn Matthias Damerow ist bis zum Ende der Woche mit einer Busreisegruppe in Mecklenburg. Tags darauf muss der 40-Jährige nach Hamburg düsen, dann nach Karlsbad und nach Ungarn.

Schwiegertochter Stefanie sitzt gerade am Rechner. Die 37-jährige Speditionskauffrau ist vor sieben Jahren in den Familienbetrieb eingestiegen. Seitdem kümmert sie sich hauptsächlich ums Finanzielle. »Mir war von Anfang an klar, dass das Geschäft der Mittelpunkt ist«, sagt die junge Frau. Lächelnd verrät sie: »Immerhin haben wir gleich an unserem ersten Abend eine Batterie aufladen müssen und einen Bus geputzt.« Und dann gibt es noch Marias Ehemann Andreas Damerow (66). Er ist gerade nicht auf Tour und hat Enkelin Alicia auf dem Schoß.

Das Busgeschäft ist hart, und reich wird man davon nicht, obwohl sich laut Internationalem Bustouristikverband (RDA) jährlich rund 100 Millionen Deutsche mit Bussen ihre Fernweh-Träume erfüllen. Rollten 1970 noch 47.253 Busse in Deutschland, sind es inzwischen 77.501.

Wenn Maria Damerow über ihren Wechsel in diese Branche sprechen soll, muss sie mit dem plötzlichen Tod des Schwiegervaters beginnen. 1973 erlag der Forchheimer Busunternehmer Gerhard Damerow mit nur 49 Jahren einem Herzinfarkt. Sein einziger Sohn Andreas und Maria, die Bauerntochter aus Morschreuth nahe Gößweinstein, hatten im Jahr zuvor gerade geheiratet.

So steigt das junge Paar – sie gerade 23, er 24 Jahre alt – in den in den 50er-Jahren gegründeten Betrieb mit einer Flotte von acht Kraftomnibussen ein. Bereits 1974 erwirbt Maria Damerow den Busschein – und damit nicht zuletzt Respekt bei den festangestellten Fahrern. Buchführungskurse folgen, sie schenkt zwei Söhnen, Matthias und Thomas, das Leben: »Bei der Geburt von unserem Thomas bin ich erst noch die Linie für die Spinnerei gefahren, bevor ich ins Krankenhaus ging«, berichtet sie. Sie legt 1992 vor der IHK die Unternehmerprüfung ab. Nun ist Maria Damerow auch offiziell die Chefin. »Mein Mann ist eher der ruhigere Typ, und ich organisiere gerne. Wir haben uns jung durchkämpfen müssen, das schweißt zusammen.« So einfach bringt es die zweifache Großmutter auf den Nenner.

Doch bei all der Anstrengung hat der Beruf auch seine schönen Seiten. »Ach, hätte ich nur Tagebuch geführt«, seufzt Maria Damerow. »Ich hatte so viele nette Erlebnisse mit Kunden.« So hat ihr einmal ein 14-jähriges Schulmädchen unter Tränen seine Schwangerschaft gestanden. Ein Witwer und eine Witwe frönten erst der Reiselust, um am Ende miteinander Hochzeit zu feiern. »Wir werden zu Geburtstagen eingeladen, und zu Beerdigungen ebenso«, erzählt Maria weiter. »Zu unseren Stammkunden zählen viele ältere Leute. Manch einer ruft sogar an, bloß um mal wieder plauschen zu können.«

Aufhören? In den Ruhestand gehen? »Wir können die Kinder doch nicht hängen lassen«, antwortet Maria Damerow sofort. Und lachend zitiert sie ihren Ältesten. Der sage immer: »Mama, in 20 Jahren gehen wir gemeinsam in Rente.«

Matthias Damerow ist Kfz-Meister und Zukunft des Unternehmens in einem. Als sein Vater im Jahr 2002 einen Herzinfarkt erlitt, gab er seinen geregelten Job auf. »Matthias ist praktisch im Bus aufgewachsen«, sagt die Mutter. Wie sich über Generationen alles wiederhole… Allerdings: Maximilian Damerow, der mit fünf Jahren Jüngste im Clan, verkündet treuherzig jedem, der es hören will: »Mein Papa sagt, ich darf das nicht machen. Da verdient man so wenig und muss so viel arbeiten.«

 

Text: Ute Fürböter; Foto: Mile Cindric

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