Als meine Mutter älter und dann auch sehr alt wurde, sagte sie oft, dass man so alt sei, wie man sich fühlt. Zugegeben, über diesen Ausspruch meiner Mutter habe ich oft gelächelt, manchmal auch gespöttelt und mir gedacht, wenn man alt ist, dann sollte man sich nichts vormachen, dann muss man sich doch auch alt fühlen. Da war ich noch viel jünger und „alt“ an Jahren war noch weit weg von mir.
Jetzt ist mir mit meiner Enkeltochter Ähnliches passiert, als sie mit ihren gerade mal zehn Jahren von mir wissen wollte, wie das denn sei mit dem Alter und wie sich das „anfühlt“, wenn man älter wird.
Zwischen uns, Enkeltochter und Großmutter, stehen mehr als fünfzig Jahre Leben, diese Zeitspanne zu erfassen
(… zu fühlen), ist für meine Enkeltochter (und für mich) gar nicht so einfach. Während meine Enkeltochter unbedingt bald „erwachsen“ werden möchte, vergeht für mich die Zeit viel zu schnell. Im Verhältnis zu meiner Enkeltochter, aus ihrer Wahrnehmung und aus ihrem Gefühl mir gegenüber heraus bin ich wohl einfach alt.
Während unseres „tiefsinnigen“ Gesprächs über Alter und Zeit habe ich mich bei dem Spruch meiner Mutter ertappt und meiner Enkeltochter gesagt: „Ich fühle mich aber noch gar nicht soooo alt“. Jetzt frage ich mich doch, muss man sich so alt fühlen, wie man alt an Lebensjahren ist oder gibt es geradezu unvergängliche „Gefühle“, die einfach nicht altern und die vielleicht dazu führen, dass man sich nicht alt fühlt? Oder ist es beim Alter etwa so wie beim Wetter, bei dem es ja auch die gemessene und die gefühlte Temperatur gibt?
2 Antworten
Die Analogie zu Wind und Wetter passt. Gemesssene 16 C, doch durch kalten Wind gefuehlte 12 C. Auch mit Meldungen wie “ fuer die Jahreszeit zu warm“ kann ich in diesem Zusammenhang was anfangen. Morgens stappfe ich mit steifen Knien die Treppe runter mit gefuehlten plus 10Jahren. Zwei Stunden spaeter traegt mich das Radl durch den Wiesengrund und ich fuehle mich fitter als vor 10 Jahren ( und bin es wohl auch ). Mein gefuehltes Alter schwingt innerhalb weniger Stunden um eine Amplitude von mindestens +/- 10 Jahren, und das mehrmals taeglich. Als Statistiker halte ich mich am geeignesten Durchschnittswert fuer solche Situationen, den Modalwert: den am haeufigsten vorkommenden- und der will partout nicht zur Geburtsurkunde passen. Was aber nichts daran aendert,dass ich fuer Juengere, vor allem fuer fremde, nach wie vor einen genuinen Alten darstelle. Es scheint also zusaetzlich ein von aussen zugestandenes zum innerlich akzeptierten Alter zu geben. Ich fuerchte, das klafft noch weiter auseinander als das gefuehlte. Vor Kindern seien die Eitlen unter den Alten sowieso gewarnt: Die sagen doch glatt und ungeschminkt ihre Wahrheit!
Lieber Herr Cheng, ich komme ja aus einer Gegend, in der man regelmäßig eine ziemlich unverblümte Sprache pflegt. Jedenfalls kann ich mich gut daran erinnern, dass man dort immer wieder sagte, ‚man sei so alt wie man sich anfühlt‘. Ich finde, da ist auch was dran?